Während des G20-Gipfels hat die Polizei einige Beteiligte rechtswidrig in Gewahrsam genommen. Das LG Hamburg erkannte Verstöße gegen das Unverzüglichkeitsgebot und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.
In mehreren Beschwerdeverfahren hat das Landgericht (LG) Hamburg polizeiliche Ingewahrsamnahmen während des G20-Gipfels für rechtswidrig erklärt. Teilweise verstießen Maßnahmen gegen das Unverzüglichkeitsgebot oder hätten die Betroffenen in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt, wie das Gericht am Montag bekanntgab.
Die Beschwerdeführer waren nach ihrer Festnahme zunächst in der Gefangenensammelstelle der Polizei und dann aufgrund richterlicher Entscheidung in Justizvollzugsanstalten bis zum Ende des Gipfelwochenendes festgehalten worden. Die Maßnahmen hielten die Hamburger Richter zwar für erforderlich, um die unmittelbar bevorstehende Begehung von Straftaten zu verhindern. Allerdings war es in diesen Fällen zu erheblichen Verzögerungen zwischen der Festnahme der Betroffenen und deren Vorführung zur richterlichen Anhörung gekommen.
In den für rechtswidrig entschiedenen Fällen lagen zwischen vorläufiger Festnahme und richterlicher Entscheidung über die Ingewahrsamsnahme 15 bis 40 Stunden. Darunter waren auch Verfahren, in denen die Betroffenen bis zum Ende des Folgetages einem Richter vorgeführt wurden, jedoch eine richterliche Entscheidung nicht mehr innerhalb der Höchstfrist ergehen konnte.
Verstöße gegen das Unverzüglichkeitsgebot
Darin sieht das LG einen Verstoß gegen das Gebot, unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung herbeizuführen. Zwar bestanden wegen der unübersichtlichen Sicherheitslage und der beschwerlichen Transportwege sowie infolge der Häufung von Festnahmen während des Gipfels besondere Herausforderungen für die Polizei, so das Gericht. Diese Situation rechtfertigte in gewissem Umfang Verzögerungen, die unter gewöhnlichen Umständen schon nicht mehr hinnehmbar gewesen wären.
Allerdings hätten Polizei und Justiz eben mit einer solchen Lage gerechnet und umfangreiche Vorkehrungen getroffen. In dieser Situation wäre nach Ansicht der Kammer ein Zeitablauf von mehr als zwölf Stunden bis zur richterlichen Entscheidung nur gerechtfertigt, wenn eine Lage eingetreten wäre, die – wie etwa gewalttätige Auseinandersetzungen in und um die Gefangenensammelstelle – für niemanden vorhersehbar gewesen wäre. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen, zumal die Gefangenensammelstelle der Polizei zu keinem Zeitpunkt mit Gefangenen voll ausgelastet gewesen sei.
Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Leibesvisitation
Hinsichtlich der Art und Weise der Ingewahrsamnahmen haben die Betroffenen teilweise mit Erfolg geltend gemacht, dass ihre Behandlung durch die Polizei rechtswidrig gewesen sei. Dazu gehört in mehreren Verfahren die teils mehrfach erfolgte Durchsuchung der Betroffenen in der Gefangenensammelstelle bei (nahezu) vollständiger Entkleidung.
Da die Betroffenen jeweils schon bei ihrer Festnahme durchsucht worden seien, habe eine konkrete Veranlassung für einen derart gravierenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen nicht bestanden.
Entsprechendes gilt für die von einzelnen Betroffenen erhobene Rüge, bei der Verrichtung ihrer Notdurft von Polizeikräften beaufsichtigt worden zu sein. Auch diese Maßnahme war nach Auffassung der Kammer durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt.
Bei den Entscheidungen ging es um Fälle, bei denen die Betroffenen bereits einem Amtsrichter vorgeführt worden waren. Dann muss über die Beschwerde eine Zivilkammer am Landgericht entscheiden. Beim örtlichen Verwaltungsgericht sind weitere Beschwerden anhängig, bei denen es um rein polizeiliches Handeln geht.
mgö/LTO-Redaktion
LG Hamburg zu Ingewahrsamnahmen während des G20-Gipfels: . In: Legal Tribune Online, 18.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29223 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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