Die Berichterstattung zu den Vorwürfen gegen Till Lindemann ist immer noch Thema. Neben deutschen Medien wie dem Spiegel und der SZ ging Lindemann vor dem LG Hamburg auch gegen den ORF vor – mit Erfolg.
Die Verdachtsberichterstattung um die vor einigen Monaten laut gewordenen Vorwürfe von weiblichen Rammstein-Fans gegen Frontmann Till Lindemann beschäftigt nach wie vor die Gerichte. Ein Artikel auf orf.at darf nicht den Verdacht erwecken, Rammstein-Sänger Till Lindemann habe im Rahmen der "Stadium Tour" der Band Gewalt gegenüber einer Frau ausgeübt. Das hat das Landgericht Hamburg (LG) auf Antrag Lindemanns entschieden und eine einstweilige Verfügung gegen den Österreichischen Rundfunk (ORF) erlassen (Beschl. v. 8.9.2023, Az. 324 O 337/23).
Gegenstand der Entscheidung ist ein Artikel auf der Webseite des Mediums vom 24. Juli 2023, in dem über gewalttätige Handlungen Lindemanns gegen eine Frau während der "Stadium Tour" der Band berichtet wird. Es geht in dem Artikel um Aussagen von Beate H. Lindemann habe sie sie demnach angeblich gegen ihren Wilen geschlagen. Sie belegte ihre Aussagen gegenüber dem ORF mit Fotos und Chatprotokollen. Darüber hinaus gab der ORF zwei unabhängige Gutachten in Auftrag, deren Ergebnisse die Aussagen von Beate H. stützten.
Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nicht erfüllt
Der angegriffene Artikel aus dem Juli erfülle dennoch nicht die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung, so das LG. Vor einer entsprechenden Veröffentlichung sei nämlich der betroffenen Person Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Zwar sei an Lindemann eine entsprechende Anfrage gestellt worden. Diese habe aber weder notwendige Details noch eine zeitliche oder räumliche Eingrenzung der Geschehnisse enthalten und sei in einem Aspekt sogar unzutreffend gewesen. Daher sei es Lindemann nicht hinreichend möglich gewesen, sich mit dem Vorwurf auseinanderzusetzen und zu reagieren. Zudem sei der Vorwurf "nicht nur äußerst ehrenrührig", er enthalte "auch den Verdacht einer konkreten Straftat", sodass diese Maßstäbe für die Verdachtsberichterstattung auch ungeachtet des hohen öffentlichen Interesses an Lindemann gelten würden.
Den Einwand des ORF, dass keine näheren Ausführungen Lindemann gegenüber hätten gemacht werden können, um die Anonymität der Zeugin nicht zu gefährden, wies das LG zurück. Zwar müsse eine Zeug:innenidentität nicht offenbart werden. Trotzdem müsse im Rahmen der Verdachtsberichterstattung Gelegenheit zur Stellungnahme bestehen, für die ein hinreichendes Maß an Informationen erfüllt sein müsse. "Gerade vor dem Hintergrund, dass Kern der Berichterstattung die Schilderung der anonymen Zeugin sei, wäre es unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers erforderlich gewesen, diesem mithilfe einer konkreteren Konfrontation eine zeitliche und örtliche Einordnung des Vorwurfs zu ermöglichen", heißt es in der Mitteilung des Gerichts dazu.
ORF: Schutz der Quellen ist oberstes Gebot
Der ORF kündigte bereits an, der Entscheidung des LG nachzukommen und den Beitrag nicht weiter zu verbreiten. Das LG, so der Sender in einer Stellungnahme, habe die umfassenden Bemühungen des ORF zur Überprüfung der Vorwürfe im Sinne der journalistischen Sorgfaltspflicht erkannt und angedeutet, dass bei Offenlegung aller Details eine Rechtfertigung der Verdachtsberichterstattung bestehen könne. Gleichwohl sieht der ORF es weiter als seine Pflicht an, die Anonymität seiner Quellen zu schützen.
Das Thema Lindemann insgesamt fallen lassen will der ORF aber nicht. "Wir werden jedenfalls weiterhin mit betroffenen Personen sprechen und weiter recherchieren", kündigte der österreichische Sender an.
ast/LTO-Redaktion
LG Hamburg erlässt einstweilige Verfügung: . In: Legal Tribune Online, 18.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52726 (abgerufen am: 11.12.2024 )
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