LG Frankfurt am Main bejaht Herausgabeanspruch: Witwe erhält ein­ge­fro­renes Sperma ihres toten Mannes

14.02.2025

Nach dem Tod ihres Ehemannes will sich eine Frau mit dem eingefrorenen Sperma ihres Mannes künstlich befruchten lassen. Doch die Klinik stellte ihr dieses nicht zur Verfügung. Das Landgericht Frankfurt bejahte nun eine Herausgabepflicht.

Verliebt, verlobt, verheiratet – und verstorben: Dies ist einem Mann widerfahren, der kurz vor seinem Tod sein Sperma hatte konservieren lassen, um mit seiner Ehefrau ein Kind zeugen zu können. Nach seinem Tod forderte die Witwe das kryokonservierte Keimmaterial von der Klinik heraus, um eine künstliche Befruchtung in Spanien durchführen zu können. Das Krankenhaus verweigerte allerdings eine Herausgabe, weil ein Vertrag mit dem Ehemann zu Lebzeiten eine Vernichtung des Spermas nach seinem Tod vorsah. 

Dieser Argumentation folgte das Landgericht (LG) Frankfurt am Main aber nicht und gab stattdessem dem Eilantrag der Witwe statt. Der Schutzzweck des Embryonenschutzgesetztes (ESchG) wird nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall nicht beeinträchtigt (Beschl. v. 04.02.2025, Az. 2-04 O 29/25).

Einwilligung in postmortale Verwendung seines Spermas dargelegt

Die zuständige Kammer des LG hat festgestellt, dass der seinerzeit mit dem Ehemann geschlossene Vertrag die Klinik nicht verpflichte, das kryokonservierte Keimmaterial zu vernichten. Diese "Vernichtungsklausel" fuße nach dem Wortlaut des Vertrages allein auf § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG. Danach ist es verboten, eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod zu befruchten. Der Schutzzweck der Norm ist laut LG im vorliegenden Fall jedoch nicht berührt.

Insbesondere das Grundrecht des verstorbenen Ehemanns auf reproduktive Autonomie aus Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) werde nicht beeinträchtigt, denn er habe vor seinem Tod in die postmortale Verwendung seines Spermas eingewilligt. Dies habe seine Ehefrau hinreichend dargelegt. 

Aus Sicht der Kammer ergibt sich auch aus der eidesstattlichen Versicherung der Frau schlüssig und widerspruchsfrei die paarbezogene, individuelle Entwicklung des Kinderwunsches. Die Witwe habe dargelegt, dass es den gemeinsamen Kinderwunsch gab, jedoch der frühe Tod des Mannes dessen Verwirklichung zu Lebzeiten verhinderte. Der Wille des verstorbenen Ehemanns habe sich zuletzt aber deutlich auf ein gemeinsames Kind nach seinem Tod gerichtet, so das Gericht.

Schon keine rechtswidrige Haupttat

Das Krankenhaus hatte außerdem argumentiert, seinen Mitarbeitern drohe bei einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas eine strafrechtliche Verfolgung. Das LG nahm der Klinik jedoch diese Angst: Entgegen der Befürchtung der Klinik bestünden vorliegend bei einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas keine Strafbarkeitsrisiken für die Mitarbeiter. Da der Schutzzweck des § 4 ESchG im konkreten Fall schon nicht verletzt sei, fehle es bei einer künstlichen Befruchtung mit dem Sperma des verstorbenen Ehemanns an einer rechtswidrigen Haupttat.

Eine Beihilfehandlung scheide ebenso aus. Das Gericht betonte: "Es erscheint verfassungsrechtlich zwingend geboten, dass zur Ausübung einer Handlung, die Ausdruck einer nach Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich besonders geschützten Selbstbestimmung ist, derjenige auch Hilfe in Anspruch nehmen kann, der diese Handlung realisieren will."

Schließlich führte die Kammer aus, dass die sogenannte In-Vitro-Fertilisation in Spanien, so wie die Frau es geplant hatte, nach dem spanischen Recht möglich ist. "Die künstliche Befruchtung in einer spanischen Klinik ist vorliegend – unabhängig von konkreten medizinischen Erfolgsaussichten und ethischen oder moralischen Bewertungen – nach spanischem Recht möglich." Eine In-Vitro-Fertilisation sei dort im konkreten Fall nicht mit Strafe bedroht.

Das LG erkannte zudem keine Verletzung der Grundrechte des noch nicht gezeugten Kindes. "Jedenfalls ist in dem vorliegend zu entscheidenden Fall keine konkrete Kindeswohlgefährdung erkennbar, da es dem Willen beider Eltern entspricht, ein Kind zu bekommen", erklärte die Kammer.

Die Entscheidung des LG ist nicht rechtskräftig.

eh/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG Frankfurt am Main bejaht Herausgabeanspruch: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56599 (abgerufen am: 17.03.2025 )

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