Einem Sohn, der seine Mutter mehrfach geschlagen haben soll, darf deswegen nicht der Pflichtteil verweigert werden. Nicht jede körperliche Auseinandersetzung sei gleich ein schweres Vergehen gegen den Erblasser, so das LG Frankenthal.
Um einem gesetzlichen Erben den Pflichtteil wirksam entziehen zu können, müssen Erblasser sowohl formal als auch inhaltlich hohe Hürden überwinden. Dies hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung klargestellt und der Klage eines übergangenen gesetzlichen Erbens gegen eine an seiner Stelle bedachte soziale Einrichtung aus dem Rhein-Main-Gebiet stattgegeben. Diese muss ihm nun seinen 50-prozentigen Pflichtteil auszahlen und auch die Verfahrenskosten tragen (Urt. v. 11.03.2021, Az. 8 O 308/20).
Die Eltern des klagenden Mannes hatten diesen 1997 in einem notariellen Erbvertrag enterbt und zusätzlich bestimmt, dass ihm der Pflichtteil entzogen werden soll. Als Begründung gaben sie an, dass der Sohn seine Mutter ein Jahr zuvor mehrfach geschlagen und sie hierbei eine Schädelprellung erlitten habe. Die Pflichtteilsentziehung wollte der Mann nach dem Tod seiner Mutter nicht akzeptieren und zog vor Gericht.
Seine Klage gegen die an seiner statt als Erbin eingesetzte Soziale Einrichtung hatte vor dem LG nun Erfolg. Nach Ansicht der Kammer war die Entziehung des Pflichtteils im Erbvertrag bereits aus formalen Gründen unwirksam. Um zu verhindern, dass nachträglich weitere Gründe nachgeschoben werden, müsse das maßgebliche Fehlverhalten des Erben bereits im Testament eindeutig geschildert sein, entschied das LG. In dem Fall ist laut Gericht aber gerade nicht festgehalten worden, welche Hintergründe zu der Auseinandersetzung geführt und welche Folgen dies gehabt habe.
Nicht jede Körperverletzung ist "schweres Vergehen"
Auch im Gerichtsverfahren konnte der Streit nicht nachträglich und zweifelsfrei aufgeklärt werden. Nach Ansicht der Kammer bleibt es daher denkbar, dass sich die Körperverletzung bei einem spontanen Streit oder im Affekt zugetragen hat. Dies rechtfertige nicht zwingend eine Pflichtteilsentziehung, denn nur ein "schweres Vergehen" gegen den Erblasser könne zum Verlust des Pflichtteils führen. Ein solches gegen die Mutter hätte der bedachte Verein dem klagenden Mann aber nachweisen müssen.
Das Gericht zweifelte außerdem daran, ob der angebliche Vorfall aus dem Jahr 1996 wirklich der Hauptgrund für die Pflichtteilsentziehung gewesen ist. Es sei, so das Gericht, eher davon auszugehen, dass die Eltern mit dem Lebenswandel ihres Sohnes nicht mehr einverstanden gewesen seien. Dies rechtfertige es jedoch nicht, dem Sohn seinen verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Erbes zu entziehen.
Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.
acr/LTO-Redaktion
LG Frankenthal zu angeblich gewalttätigem Erben: . In: Legal Tribune Online, 22.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45544 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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