Das LG Berlin hat noch darüber zu entscheiden, ob auch der Raser, dessen Auto auf dem Berliner Ku'damm nicht mit dem Jeep des Opfers kollidierte, als Mittäter des Mordes schuldig ist. Der BGH sah zuvor keinen gemeinsamen Tatentschluss.
Rund viereinhalb Jahre nach einem tödlichen Autorennen in Berlin steht ein 28-Jähriger zum vierten Mal vor dem Landgericht (LG) der Hauptstadt. Mit einem inzwischen rechtskräftig wegen Mordes verurteilten Raser hatte er sich ein Autorennen geliefert. An einer Kreuzung kam es zu einem Unfall, bei dem ein unbeteiligter 69 Jahre alter Autofahrer starb. Der Verteidiger erklärte zu Prozessbeginn am Dienstag, sein Mandant werde sich voraussichtlich am dritten Verhandlungstag äußern.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zuletzt im Juni 2020 in dem Fall entschieden. Den Schuldspruch gegen einen der beiden Angeklagten bestätigte der BGH. Das Urteil für den 28-Jährigen hoben die Bundesrichter allerdings auf und ordneten eine Neuverhandlung an. Der Mann blieb weiter in Untersuchungshaft.
Mit bis zu 170 Kilometer pro Stunde waren die beiden Männer am 1. Februar 2016 über den Kurfürstendamm gerast. Der andere, inzwischen rechtskräftig verurteilte Fahrer rammte schließlich an einer Kreuzung den Jeep eines unbeteiligten Mannes, der bei für ihn grüner Ampel fuhr. Der Fahrer starb in seinem Wagen.
Mittäterschaft ohne Absprache?
Der Fall wurde deutschlandweit bekannt, weil eine andere Strafkammer des LG Berlin zum ersten Mal einen Raser wegen Mordes verurteilte. Die Kammer verhängte gegen beide Männer im Februar 2017 lebenslange Haftstrafen. Der BGH kassierte aber das Urteil. Der 4. Strafsenat monierte, nach den Urteilsfeststellungen hätten die Angeklagten die Möglichkeit eines für einen anderen Verkehrsteilnehmer tödlichen Ausgangs ihres Rennens erst erkannt und billigend in Kauf genommen, als sie in die Unfallkreuzung einfuhren. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Angeklagten jedoch keine Möglichkeit mehr gehabt, den Unfall zu verhindern. Daher sei das zu dem tödlichen Unfall führende Geschehen zu diesem Zeitpunkt bereits unumkehrbar in Gang gesetzt gewesen, bevor die für die Annahme eines Tötungsvorsatzes erforderliche Vorstellung bei den Angeklagten habe entstehen können (sog. dolus subsequens). Schon das stehe einer Einstufung als vorsätzliches Tötungsdelikt entgegen.
In der Neuverhandlung in Berlin, die im ersten Anlauf gescheitert war, wurden beide Angeklagten im März 2019 erneut des Mordes schuldig gesprochen. Das LG Berlin ging sehr wohl von vorsätzlichem Handeln aus. Dann ging der Fall wieder vor den BGH. Der bestätigte aber nur für einen der Angeklagten die Verurteilung wegen Mordes, nämlich den Fahrers des Wagens, der mit dem Jeep des Opfers kollidierte. Der Senatsvorsitzende bejahte die Wertung, dass ein Raser ein Mörder sein kann, betonte aber auch den Einzelfallcharakter des Falles.
Im Fall des 28-Jährigen, dessen Wagen gerade nicht mit dem Jeep kollidiert war, sah der BGH die Mittäterschaft allerdings als nicht belegt an und verwies den Fall erneut zurück nach Berlin. Der Senat sah keinen gemeinsamen Tatentschluss, den es für eine Zurechnung der Tat als Mittäter bräuchte. Es sei angesichts der Fokussierung auf das Rennen "fernliegend", so die Karlsruher Richter, dass die beiden Angeklagten, die sich spontan während der Fahrt in verschiedenen Fahrzeugen und ohne vorherige Absprache zu dem tödlichen Rennen entschlossen hatten, diesen gemeinsamen Tatentschluss beim Zufahren auf die letzte Kreuzung konkludent geschlossen hatten.
Mit Materialien von dpa
Pia Lorenz, Vierter Prozess vor dem LG Berlin: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43023 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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