LG Berlin II gestattet Veröffentlichung: Wer ein Selfie mit Greta Thun­berg macht, muss auch dazu stehen

09.12.2024

Der Teilnehmer einer propalästinensischen Demonstration machte ein Foto mit Greta Thunberg. Als die Bild dieses Foto unter dem Titel "Selfie mit Judenhassern" abdruckte, wollte der Mann das juristisch untersagen lassen, scheiterte nun aber.

Das Landgericht (LG) Berlin II hat über den Eilantrag eines Mannes entschieden, der sich gegen die Veröffentlichung von Fotos wehrte, die ihn mit Greta Thunberg bei einer propalästinensischen Demonstration in Berlin zeigen. Laut Gericht ist die Veröffentlichung jedoch zulässig, der Mann werde nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt (Beschl. v. 29.11.2024, Az. 27 O308/24 eV).

Der Mann wehrte sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Veröffentlichung eines Fotos in der Bild, auf dem er mit Greta Thunberg zu sehen ist. Zu dem veröffentlichten Selfie gab es auch Textberichterstattung, die der Mann ebenfalls in dem Verfahren angriff. So beschrieb das Boulevard-Blatt das Foto mit "Selfie mit Judenhassern". Der Name des Mannes wurde dabei nicht genannt.

Ob das Foto einer Person veröffentlicht werden darf, hängt grundsätzlich von ihrer Einwilligung ab, das bestimmt das Kunsturheberrechtsgesetz (KUG). Aber auch ohne Einwilligung dürfen Bilder veröffentlicht werden, zum Beispiel wenn das Bild dem Zeitgeschehen zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 II KUG). 

So lag auch der Fall für den Mann, der einen Unterlassungsanspruch gegen die Zeitung geltend machte. Das LG Berlin II hat diesen aber verneint, da er durch die Berichterstattung nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, §§ 22 f. KUG verletzt sei.

Was gehört zum Zeitgeschehen?

In dem Fall kam es auf die Frage an, ob das veröffentlichte Foto in der Bild zum Zeitgeschehen gehört. Der Begriff darf laut LG dabei nicht zu eng ausgelegt werden. Erfasst seien alle Fragen, die von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse sind. Die Medien müssten genug Spielraum haben, um selbst zu entscheiden, was sie für berichtenswert halten und wie sie Beiträge bebildern. Auch das Interesse, durch Bilder die Aufmerksamkeit der Leserschaft für einen bestimmten Beitrag zu wecken, sei von Art. 5 I Grundgesetz (GG) geschützt, schließlich nähmen auch "Bildaussagen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen", so das LG in seinem Beschluss.

An der Berichterstattung über propalästinensische Demonstrationen besteht laut LG ein überragendes Berichterstattungsinteresse, über diese werde schließlich immer wieder kontrovers öffentlich diskutiert. Dies gelte umso mehr, wenn die weltweit bekannte Klimaaktivistin Greta Thunberg an einer Demonstration teilnimmt.

Dieses Informationsinteresse sei allerdings auch nicht grenzenlos geschützt. Vielmehr müssten die Belange der Medien und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person gegeneinander abgewogen und in einen möglichst schonenden Ausgleich gebracht werden. Für diese Abwägung müsse die Bildberichterstattung im Gesamtkontext betrachtet und auch die zugehörige Textberichterstattung berücksichtigt werden. Allgemein gelte: je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto eher muss das Schutzinteresse der abgebildeten Person zurücktreten.

Zusätzlich seien die Umstände, in denen die Aufnahme entstanden ist, einzubeziehen. Nach dieser grundsätzlichen Darlegung steigt das Gericht in seinem Beschluss in die Prüfung ein.

Keine Prangerwirkung, da "gewollt Aufmerksamkeit erregt"

Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass sich niemand über die Verletzung seines guten Rufs beschweren könne, wenn dies eine vorhersehbare Folge des eigenen Verhaltens war. In diesem Fall habe sich der Mann willentlich in die Situation begeben und für das Foto posiert, daher müsse er nun auch mit der Veröffentlichung leben können. Mit einer intensiven Beobachtung durch die Presse und Dritte sei bei einer solchen Veranstaltung auch zu rechnen gewesen. Der Mann habe "gewollt Aufmerksamkeit erregt", so das Gericht.

Außerdem stehe der Mann auf den Fotos nicht im Mittelpunkt, sondern sei nur eine Randfigur. Auf einem Foto werden zwei andere abgebildete Demonstrationsteilnehmer in der Bildunterschrift namentlich genannt, er aber nicht. Verständige Leser:innen würden die Bildunterschrift "Selfie mit Judenhassern" daher gar nicht auf den Antragsteller beziehen, sondern auf die anderen abgebildeten Männer. Da der Mann so abgebildet wurde, wie er selbst posiert hatte, gehe von der Berichterstattung auch keine Pranger- oder stigmatisierende Wirkung aus.

Auch einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Textberichterstattung verneinte das Gericht. Die Bezeichnungen "Judenhasser" und "Islamisten und Israel-Hasser" seien zwar grenzwertig, aber stellten noch zulässige Meinungsäußerungen dar. Das begründet das Gericht damit, dass die Äußerungen die propalästinensische Demo beurteilten, die auch Gegenstand der Berichtserstattung war, weswegen sie als Meinungsäußerungen einzustufen sei. Sie stellten zwar scharfe Kritik dar, seien aber nicht frei von Anknüpfungstatsachen und damit noch von der Meinungsfreiheit gedeckt.

mh/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG Berlin II gestattet Veröffentlichung: . In: Legal Tribune Online, 09.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56060 (abgerufen am: 18.01.2025 )

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