Die Mietpreisbremse sei verfassungswidrig, befindet das LG Berlin und widerspricht damit seinem eigenen Urteil aus dem Frühjahr. Eine höchstrichterliche Klärung bleibt aber vorerst aus, auf die Frage kommt es nun gar nicht mehr an.
Die Mietpreisbremse ist verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt das Landgericht (LG) Berlin in einem aktuellen Beschluss, der nun aber plötzlich nur noch ideellen Wert hat (Beschl. v. 14.09.2017, Az. 67 O 149/17).
Eigentlich obläge es jetzt den Richtern des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), über das Prestigeprojekt der SPD aus der ablaufenden Legislaturperiode zu entscheiden. Dies ist der Weg, den ein Gericht nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu gehen hat, wenn es an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zweifelt. Doch der Weg nach Karlsruhe ist verbaut, auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 556d Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kommt es nämlich nun nicht mehr an.
Im Ausgangsfall stritt eine Frau mit ihrer Vermieterin um eine Mieterhöhung. Die Klägerin, die seit dem 24. August 2015 in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Berlin-Wedding wohnte, wollte von der Hauseigentümerin ihrer Meinung nach zu viel gezahlte Miete zurück haben. Die Vormieterin der Wohnung hatte noch einen monatlichen Mietzins von 215 Euro netto kalt bezahlt, sie dagegen hatte 351 Euro netto kalt zu entrichten. Dies verstieß ihrer Auffassung nach gegen § 556d Abs. 1 BGB, der die Mieterhöhung in besonders angespannten Gebieten deckeln soll.
Gesetz 2015 in Kraft getreten
Das von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verantwortete und 2015 in Kraft getretene Gesetz sieht vor, dass in bestimmten Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt die Mietpreise durch die Landesregierungen begrenzt werden können. Sie dürfen die ortsübliche Vergleichsmiete dann zu Beginn des Mietverhältnisses nicht um mehr als zehn Prozent übersteigen.
Welche Gebiete die Regelung genau betrifft, dürfen die Länder per Verordnung für maximal fünf Jahre festlegen. Nach § 556g Abs. 1, S. 1 und S. 2 BGB sind Vereinbarungen, die zum Nachteil des Mieters von der Regelung abweichen, von Beginn an unwirksam.
Nachdem die Vermieterin für die Zeit ab März 2016 anerkannt hatte, dass die zulässige Miete monatlich nur 275,73 Euro betragen solle, sprach das Amtsgericht (AG) Wedding der Mieterin einen Rückzahlungsbetrag von 297,57 Euro (42,51 € monatlich für die Zeit von März bis September 2016) zu, da die ortsüblich zulässige Miete monatlich 233,22 Euro betragen habe. Die Klage wegen des restlichen Betrages von 943,54 Euro wies das AG ab. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.
2/2: LG: Vermieter werden ungleich behandelt
In einem Hinweisbeschluss vom 14. September, der am Dienstag bekannt wurde, ließ das LG daraufhin die Bombe platzen: Die Mietpreisbremse sei verfassungswidrig, so die Richter der Zivilkammer 67. § 556d BGB bewirke eine ungleiche Behandlung von Vermietern und verstoße damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln.
Soweit er Differenzierungen vornehme, müssten diese durch Gründe gerechtfertigt werden, die dem Ziel der Differenzierung und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen seien, so das LG. Dies habe der Gesetzgeber bei der Neuregelung von § 556d BGB nicht beachtet und in verfassungswidriger Weise in das Recht der Mietvertragsparteien, im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit den Mietpreis zu regeln, eingegriffen.
Bemerkenswert daran ist auch, dass das LG Berlin noch im März die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Mietpreisbremse verworfen hatte. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz hatte die damals erkennende Kammer 65 gar keine Ausführungen gemacht. Die Revision wurde damals nicht zugelassen, da man keine Notwendigkeit der Rechtsfortbildung sah.
§ 556d BGB in Verbindung mit der vom Land Berlin erlassenen Rechtsverordnung begrenze die zulässige Neuvermietung auf 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete, führten die Richter nun aus. Da bundesweit der Wohnungsmietmarkt preislich seit langem starke Unterschiede aufweise, belaufe sich die ortsübliche Vergleichsmiete zum Beispiel in München auf 11,28 Euro pro Quadratmeter in 2013 und 12,28 Euro pro Quadratmeter in 2016, während sie in Berlin nur bei 6,49 Euro bzw. 7,14 Euro (Berlin-West) pro Quadratmeter gelegen habe. Der Unterschied betrage mithin jeweils über 70 Prozent.
Schlicht ungerecht?
Vermieter in mehreren Städten würden somit in unterschiedlicher Weise von der gesetzlichen Regelung betroffen, so die Argumentation. Eine Ungleichbehandlung ist vor dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG gleichwohl möglich, sofern ein sachlicher Grund sie rechtfertigt. Einen solchen erkannte die Kammer hier aber nicht. Dies rechtfertigte man damit, dass nicht belegt sei, dass einkommenschwächere Mieter in Berlin weniger Geld für die Miete zur Verfügung hätten als beispielsweise in München. Die hierfür relevanten einkommensbezogenen Sozialdaten von Mietern seien nicht erhoben worden.
Eine weitere Ungleichbehandlung stellte die Kammer sodann in zeitlicher Hinsicht fest. Vermieter, die in der Vergangenheit, also vor Einführung der Mietpreisbremse, vermeintlich zu hohe Mieten verlangt hätten, würden durch das Gesetz ungerechtfertigt begünstigt. Denn diese Vermieter dürften bei einer Neuvermietung die bisherige Miete weiterhin verlangen. Ein Bestandsschutz für diese Miete könne jedoch bei einer Neuvermietung nicht angenommen werden.
Schließlich, so das LG, sei die Mietpreisbremse auch schlicht ungerecht. Diese simple Behauptung versucht das Gericht sodann wie folgt zu untermauern: Diejenigen Vermieter, die in der Vergangenheit eine maßvolle Miete verlangt hätten, würden erheblich benachteiligt gegenüber denjenigen Vermietern, die schon in der Vergangenheit die am Markt erzielbare Miete maximal ausgeschöpft und damit ungleich höher dazu beigetragen hätten, dass Wohnraum für Geringverdiener knapp werde.
Auf Verfassungsmäßigkeit kommt es plötzlich nicht mehr an
Die Sicht des Bundesverfassungsgerichts auf die aufgeworfenen Rechtsfragen wäre hochinteressant gewesen, doch der Fall wird nicht bis zu ihm durchdringen: Im weiteren Verhandlungsverlauf stellte sich heraus, dass das Merkmal "Sammelheizung" für die Wohnung vorlag, so dass der vom AG Wedding für noch zulässig erkannte Mietwert von 233,22 Euro monatlich netto kalt richtig berechnet sei, wie das LG ausführte.
Damit stehe der Mieterin kein weiterer Rückzahlungsanspruch zu, auch nicht für die Monate vor März 2016. Denn für die davor liegende Zeit fehle es an einer nach dem Gesetz erforderlichen ausreichenden schriftlichen Rüge gegenüber der Vermieterin, aus welchen Gründen die vereinbarte Miete überhöht sei.
Aus diesem Grund wies das Gericht die Klage durch Urteil vom Dienstag ab. Somit ist der Beschluss rechtlich praktisch bedeutungslos. Den zahlreichen Kritikern der Mietpreisbremse aber dürfte er jede Menge Argumentation liefern.
Maximilian Amos, LG hält Mietpreisbremse für verfassungswidrig: Einfach ungerecht . In: Legal Tribune Online, 19.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24601/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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