Wer Geflüchtete aufnehmen will, der habe gegen den Vermieter einen Anspruch auf Erlaubnis der Untervermietung, so das LG Berlin. Auch eine humanitäre Motivation könne das im Mietrecht erforderliche "berechtigte Interesse" begründen.
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 kommen viele ukrainische Geflüchtete nach Deutschland. Eine Berlinerin wollte deshalb einer hilfsbedürftigen Ukrainerin ein Zimmer ihrer Wohnung untervermieten. Sie klagte gegen die Vermieterin auf Erteilung der zunächst unterbliebenen Erlaubnis dafür und bekam in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht (LG) Berlin nun Recht (Urt. v. 06.06.2023, Az. 65 S 39/23), wie jetzt bekannt wurde. Zuvor hatte die Vermieterin die Erlaubnis an die Bedingung geknüpft, dass die Mieterin der Einführung einer Indexmiete zustimme.
In dem Rechtsstreit ging es vor allem darum, ob die Mieterin ein "berechtigtes Interesse" an der Untervermietung hat. Nach § 553 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Mieter nämlich vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten unterzuvermieten, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse dafür entsteht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt ein solches Interesse vor, wenn der Mieter vernünftige Gründe hat, die seinen Wunsch nach Überlassung nachvollziehbar erscheinen lassen. Dazu gehören auch höchstpersönliche Interessen von nicht ganz unerheblichem Gewicht, soweit sie mit der Rechts- und Sozialordnung in Einklang stehen, so der BGH. Die Entscheidung, mit jemand anders in Gemeinschaft leben zu wollen, sei von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützt.
LG Berlin: Grundgesetz durch zwei Weltkriege mit Flüchtlingsströmen geprägt
Das LG führt in seiner Entscheidung nun aus, dass der unbestimmte Rechtsbegriff des berechtigten Interesse im Lichte des Grundgesetzes auszulegen sei. Die Kammer gibt zu Bedenken, dass "das unsere Rechtsordnung prägende Grundgesetz aus der Erfahrung (und dem Leid) zweier Weltkriege mit gigantischen Flüchtlingsströmen entstanden und diese in die im Grundgesetz getroffenen Wertentscheidungen eingeflossen ist."
Dem Gericht zufolge können entsprechend auch altruistische Motive ausreichend sein, um ein berechtigtes Interesse anzunehmen. Dabei handele es sich in diesem Fall um eigene Interessen der klagenden Mieterin selbst, weil sie sich humanitäre Ziele als konkrete Motivation zu eigen gemacht habe. In anderen Worten: Auch wenn die Vorschrift eigentlich nur den Mieter selbst schützt, kann Flüchtlingshilfe ein eigenes Interesse des Mieters sein, wenn das der Beweggrund für die Untervermietung ist.
Zum Vergleich: In einem ähnlich gelagerten Fall hatte das Amtsgericht München gegenteilig entschieden. Das Münchner Gericht hatte argumentiert, dass das Interesse an der Überlassung in einem Zusammenhang mit dem Zweck des Wohnraummietvertrags stehen müsse. Maßgebliches Ziel des § 553 Abs. 1 S.1 BGB ist es dem AG München zufolge, dem Mieter die Wohnung als Lebensmittelpunkt zu erhalten, nachdem sich bestimmte private Umstände bei ihm nach Abschluss des Mietvertrags so geändert haben, dass der Erhalt der Wohnung gefährdet ist.
Das sah das LG in seiner Entscheidung anders: Es mache keinen Unterschied, ob der Mieter untervermieten wolle, um nicht mehr alleine zu leben, oder ob es darum gehe, das Leben nach eigenen Wertvorstellungen in den eigenen vier Wänden zu gestalten, ohne die Wohnung aufgeben zu müssen.
Im Ergebnis müsse die beklagte Vermieterin der Untervermietung an die Ukrainerin bedingungslos zustimmen.
lfo/LTO-Redaktion
LG Berlin zum "berechtigten Interesse": . In: Legal Tribune Online, 07.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52428 (abgerufen am: 13.12.2024 )
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