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Anwalt soll NSU-Opfer erfunden haben: Ver­tei­diger for­dert Frei­spruch

26.11.2020

Anwalt steckt sich Geld in die Tasche (Symbol)

Fabio Balbi - stock.adobe.com

Über 200.000 Euro hat ein Anwalt vom Staat bekommen, für die Vertretung eines Opfer des NSU, das es nie gab. Dafür muss er sich vor dem LG Aachen verantworten. 

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Im Betrugsprozess wegen eines erfundenen Opfers der Neonazi-Terrorzelle NSU soll der angeklagte Anwalt nach Ansicht der Verteidigung freigesprochen werden. Seine Schuld sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt worden, sagte der Verteidiger am Donnerstag in seinem Plädoyer vor dem Landgericht (LG) Aachen. Der Anwalt aus Eschweiler habe gutgläubig gehandelt.

Ralph W. trat im Münchner NSU-Prozess im Namen eines Opfers des Nagelbombenanschlags der Rechtsterroristen in der Kölner Keupstraße auf. Doch das Opfer, Meral Keskin, gab es nicht. Dennoch hat der Anwalt zwischen 2013 und 2015 insgesamt 25 Vorschusszahlungen beantragt und vom Staat bekommen, insgesamt über 211.000 Euro Gebühren, Auslagen, Reisekosten und Mehrwertsteuer. Zurückgezahlt hat er davon bisher nur einen Teil. Die Staatsanwaltschaft sieht darin Betrug in einem besonders schweren Fall und hat dafür eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten gefordert. Einen weiteren schweren Fall des Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung sieht die Staatsanwaltschaft darin, dass der Anwalt für seine angebliche Mandantin Meral Keskin eine Pauschalzahlung von 5.000 Euro aus dem Opferfonds der Bundesregierung für die Opfer des NSU beantragt und erhalten hat. 

Ralph W. sieht sich hingegen selbst als Opfer eines Betrugs. Sein Mandant sei von einem Mann, der bei dem Anschlag tatsächlich verletzt wurde, getäuscht worden, so der Verteidiger des Anwalts, Peter Nickel, am Donnerstag in Aachen. In dem mehr als dreistündigen Plädoyer erklärte er, sein Mandant habe dem inzwischen gestorbenen Anschlagsopfer geglaubt. Der Mann habe den Kontakt zu dem angeblichen Opfer gehalten und dafür eine Provision von Ralph W. verlangt. Sein Mandant habe sich darauf eingelassen, weil er an dem "historisch bedeutsamen Prozess" teilnehmen wollte, sagte Nickel. Er sei von einem authentischen Fall ausgegangen. Doch es sei ein "Nebenklagephantom" gewesen. Ralph W. selbst blieb auch in seinem letzten Wort kurz angebunden, er schloss sich den Ausführungen seines Verteidigers an. 

Staatsanwaltschaft fordert Teil-Berufsverbot

Auch in dem Strafverfahren wegen der Loveparade-Katastrophe in Duisburg im Jahr 2010 soll der Anwalt laut Anklage mitgemischt haben. Dafür forderte die Staatsanwaltschaft sechs Monate Freiheitsstrafe wegen versuchten Betrugs, ebenfalls in Tateinheit mit Urkundenfälschung, weil der Anwalt sich auch in dem dortigen Verfahren als Nebenklagevertreter bestellen lassen wollte. Bezahlen sollte auch hierfür der Staat. Sein Mandant in diesem Verfahren existierte zwar, litt aber gar nicht unter irgendwelchen Nachwirkungen der Katastrophe in Duisburg, so die Anklage. Insgesamt forderte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer in der vergangenen Woche eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und ein zweijähriges Berufsverbot im Strafrecht für Ralph W..  

Ebenfalls im Loveparade-Vefahren geht Oberstaatsanwalt Burchard Witte von einem weiteren Betrugsversuch aus, für den er zwei Monate Freiheitsstrafe beantragte. In diesem Fall soll der angeklagte Anwalt W. Beihilfe geleistet haben. Er soll eine auf ihn ausgestellte Vollmacht einer weiteren – echten – Geschädigten der Loveparade-Katastrophe auf den Kölner Strafverteidiger Mustafa Kaplan übertragen haben, der sich dann für sie als Nebenkläger bestellte. Die Frau soll davon laut der Anklage nichts gewusst haben. W. hat behauptet, sie sei informiert und einverstanden gewesen. Weil Kaplan versucht habe, ohne Mandat vom Staat eine Vergütung für seine Beiordnung zu beziehen, hat W. laut Staatsanwaltschaft Beihilfe zum versuchten Betrug und zur Urkundenfälschung begangen. Zu einer Bestellung kam es auch hier am Ende nicht. Inzident geht Oberstaatsanwalt Witte damit davon aus, dass der bekannte Kölner Strafverteidiger Mustafa Kaplan der Haupttäter gewesen sei. Er ist dabei nicht an die Beurteilung des Landgerichts (LG) Köln gebunden: In der Domstadt werden die angeblichen Haupttaten von Mustafa Kaplan bei der zuständigen Staatsanwaltschaft nicht mehr verfolgt, das LG Köln hat die Hauptverhandlung auch auf eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht eröffnet.

Das LG will sein Urteil am 30. November verkünden.

acr/pl/LTO-Redaktion

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Anwalt soll NSU-Opfer erfunden haben: . In: Legal Tribune Online, 26.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43555 (abgerufen am: 08.11.2025 )

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