BVerfG zu Existenzminimum: Leistungen für Asylbewerber zu niedrig

18.07.2012

Asylbewerber müssen mehr Geld bekommen. Dies entschied der Erste Senat des BVerfG in einem am Mittwoch verkündeten Urteil. Die derzeitigen Leistungen verstoßen gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind die Regelungen zu den Grundleistungen in Form von Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums unvereinbar. Die Höhe der Geldleistungen sei evident unzureichend, weil sie seit 1993 trotz erheblicher Preissteigerungen in Deutschland nicht verändert worden seien. Zudem sei die Höhe der Geldleistungen weder nachvollziehbar berechnet worden noch sei eine realitätsgerechte, am Bedarf orientierte und insofern aktuell existenzsichernde Berechnung ersichtlich (Urt. v. 18.07.2012, Az. 1 BvL 10/10 u. 1 BvL 2/11).

Während ein Hartz-IV-Empfänger einen Regelsatz von 364 Euro pro Monat erhält, sind es bei Flüchtlingen etwa 220 Euro. Damit werde das zur Sicherung des Existenzminimums Erforderliche "evident verfehlt", sagte Ferdinand Kirchhof, der Vizepräsident des BVerfG, bei der Urteilsverkündung. Schon die Hartz-IV-Sätze erreichten das Existenzminimum.

Ursprünglich galt das AsylbLG nur für Flüchtlinge während des Asylverfahrens. Der Gesetzgeber weitete die Regelung aber später auf andere Menschen ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht aus - nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betraf das Gesetz Ende 2010 insgesamt 130.300 Menschen.

Übergangsweise so viel wie Hartz-IV

Viele der Betroffenen leben schon seit längerer Zeit in Deutschland - wie auch die beiden Kläger in den Ausgangsverfahren: Einer von ihnen, ein Kurde, war 2003 aus dem Irak geflohen. Er wird seither in Deutschland geduldet. Die Klägerin des zweiten Verfahrens, ein elfjähriges Mädchen, wurde sogar in Deutschland geboren. Ihre Mutter war aus Nigeria geflohen. Inzwischen hat das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit.

Der Gesetzgeber sei verpflichtet, unverzüglich eine Neuregelung zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen. Bis zu deren Inkrafttreten haben die Karlsruher Richter angesichts der existenzsichernden Bedeutung der Grundleistungen eine Übergangsregelung getroffen.

Danach ist ab dem 1. Januar 2011 die Höhe der Geldleistungen auch im Anwendungsbereich des AsylbLG entsprechend den Sätzen für Hartz-IV-Empfänger zu berechnen, also nach den Grundlagen des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches. Dies gelte rückwirkend für nicht bestandskräftig festgesetzte Leistungen ab 2011 und im Übrigen für die Zukunft, bis der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Neuregelung nachgekommen ist.

Mit Material von dpa.

tko/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zu Existenzminimum: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6644 (abgerufen am: 09.10.2024 )

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