AfD-Wahlerfolg in Brandenburg: Was folgt aus der Sperr­mino­rität?

von Luisa Berger und Dr. Max Kolter

23.09.2024

Die Landtagswahl in Brandenburg war für die AfD ein Erfolg: Mehr als ein Drittel der Sitze konnte die Partei für sich gewinnen – sie hat damit die Sperrminorität erreicht. Welche Einflussmöglichkeiten hat die AfD dadurch gewonnen?

In Brandenburg wurde am Sonntag gewählt. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis steht fest: Die AfD hat nach der Landtagswahl in Thüringen zum zweiten Mal mehr als ein Drittel der Sitze in einem Landtag errungen, nämlich 30 von insgesamt 88. Weil die übrigen Parteien nicht mit ihr koalieren wollen, hat die AfD zwar keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung. Zu mehr Macht hat ihr das Wahlergebnis jedoch verholfen: Mehr als ein Drittel der Sitze bedeutet, dass die AfD-Faktion künftig alle parlamentarischen Entscheidungen verhindern kann, für die es eine Zweidrittelmehrheit braucht. 

Sie ist also eine Minderheit, aber eine die so stark ist, dass sie blockieren kann das nennt sich Sperrminorität. Blockieren kann sie damit, wie in Thüringen, insbesondere die Wahl neuer Landesverfassungsrichter. Hierfür ist nach Art. 112 Abs. 4 Landesverfassung (LV) eine Mehrheit von zwei Dritteln der Landtagsmitglieder vorgesehen. Auch Verfassungsänderungen sind nicht ohne die Stimmen der AfD-Fraktion möglich. Für die Resilienz des Verfassungsgerichts ist in Brandenburg aber vorgesorgt.    

"Künftig werden wir verhindern, dass wieder in der Art und Weise, wie es in den letzten fünf Jahren war, die Verfassung willkürlich geändert wird, damit sich die Parteien einen taktischen Vorteil verschaffen", ließ der Brandenburger AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt am Montag verlauten. Die AfD wolle verhindern, "dass Landesverfassungsrichter gewählt werden, die nicht für ihre Aufgabe qualifiziert sind, beziehungsweise wir werden verhindern, dass wir undemokratischerweise aus diesem Gremium ferngehalten werden", so Berndt weiter. "Das gibt uns ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten."

Verfassungsgericht bleibt auch bei Blockade handlungsfähig

Tatsächlich kann die AfD die Wahl der Verfassungsrichter in Brandenburg nun blockieren. Art. 112 Abs. 4 und § 4 des Brandenburger Verfassungsgerichtsgesetzes (VerfGG) schreiben vor, dass für die Wahl eines Verfassungsrichters eine Stimmenmehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages nötig sind. Bei einer jahrelangen Blockade neuer Richter könnte das Verfassungsgericht bzw. einzelne Senate arbeitsunfähig werden: Wenn einer ausscheidet und kein anderer nachrückt, fehlt ggf. die Beschlussfähigkeit. Diese Situation droht nun in Thüringen.  

Die Brandenburger Verfassung hat allerdings Vorkehrungen getroffen, um die Handlungsfähigkeit kurz- bis mittelfristig zu erhalten, solange sich der Landtag nicht auf einen Nachfolger einigen kann: Scheiden Richter wegen Ablaufs der Amtszeit regulär aus, verbleiben sie so lange im Amt, bis ein Nachfolger ernannt wurde, § 6 Abs. 2 S. 2 VerfGG. Bis zur nächsten Landtagswahl 2029 sind davon sechs Verfassungsrichter betroffen, darunter auch der Präsident und Vizepräsident. Bei anderweitigem Ausscheiden, etwa durch Tod oder Krankheit, verringert sich nach § 8 S. 2 i.V.m § 6 Abs. 2 VerfGG die Anzahl der zur Beschlussfähigkeit benötigten Richter entsprechend. Eine langfristige Blockade würde das Verfassungsgericht aber in eine Legitimationskrise stürzen.

Auch Änderungen der Verfassung sind nur mit Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Landtags möglich, wie Art. 79 S. 2 der Brandenburger LV vorsieht. Auch die Auflösung des Landtags (Art. 62 Abs. 2 LV) und die Abberufung eines Präsidiumsmitglieds (Art. 69 Abs. 2 LV) etwa sind nur mit einer Mitgliedermehrheit von zwei Dritteln möglich. Diese Beschlüsse lassen sich somit künftig nicht mehr ohne Zustimmung der AfD-Fraktion fällen. Um die Öffentlichkeit von Landtagssitzungen auszuschließen, braucht es zwei Drittel der anwesenden Stimmen (Art. 64 Abs. 2 LV). Auch das wird in der Regel nicht ohne AfD-Stimmen möglich sein.

Brandenburg hat schon für Resilienz gesorgt

Mit einem Drittel der Sitze im Landtag ist es der AfD künftig zudem möglich, Enquête-Kommissionen einzusetzen. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Enquête-Kommissionen des Landtages Brandenburg (EnKoG) regelt, dass Kommissionen durch den Landtag eingesetzt werden müssen, wenn mindestens ein Drittel der Mitglieder des Landtags dies beantragt. Damit eröffnet sich für die AfD die Möglichkeit, die Vorbereitung von Entscheidungen zu umfangreichen und bedeutenden Themen anzustoßen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Brandenburger AfD-Fraktion, Dennis Hohloch, kündigte bereits an, eine Kommission zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk einsetzen zu wollen.

Weil die AfD-Fraktion künftig eine Sperrminorität in Bezug auf Verfassungsänderungen innehat, erübrigt sich in Brandenburg nun die Frage, wie man das dortige Verfassungsgericht künftig vor einer autoritären, womöglich AfD-geführten Regierung schützen, es also resilienter machen kann. Denn wie auch auf Bundesebene im Hinblick auf das Bundesverfassungsgericht geht es hier vor allem darum, zentrale Vorschriften über die Richterwahl und Gerichtsverfassung vom einfachen Gesetz in die Verfassung zu übernehmen, um sie unter eine Zweidrittelmehrheit zu stellen. Im Gegensatz zum Bund sind in Brandenburg aber bereits jetzt einige dieser Regeln in Art. 112 LV verankert. So ist die Richterwahl und die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit geregelt, die Maximalanzahl der Verfassungsrichter auf zwölf gedeckelt und die Dauer der Amtszeit auf zehn Jahre festgelegt.

Zwei Besonderheiten im Brandenburger Wahlrecht sind angesichts des Wahlergebnisses nicht relevant geworden. Als einziges Bundesland deckelt Brandenburg seine Sitze im Landtag  maximal 110 dürfen es sein. Hätte die AfD bei dieser Wahl mehr Direktmandate gewonnen, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil Mandate zustehen, hätte es dazu kommen können, dass die anderen Parteien wegen der Begrenzung der Landtagssitze nicht genug Ausgleichsmandate bekommen. Der neue Landtag in Brandenburg hat nun aber lediglich 88 Sitze. Zu Überhangs- und Ausgleichsmandaten ist es nicht gekommen. Eine weitere Besonderheit ist die Grundmandateklausel, die in Brandenburg schon ab einem Mandat die Fünf-Prozent-Hürde umgeht. Im Vorfeld war spekuliert worden, ob sie für die Grünen, die Linken oder Freien Wähler relevant werden könnte, doch sie alle blieben ohne Direktmandat und sind damit künftig nicht im Parlament vertreten.

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

AfD-Wahlerfolg in Brandenburg: . In: Legal Tribune Online, 23.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55477 (abgerufen am: 15.10.2024 )

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