Hans-Georg Maaßen hat seine Entscheidung verteidigt, nach den Veröffentlichungen von vertraulichen Dokumenten bei Netzpolitik.org Anzeige zu erstatten. Der BfV-Präsident kritisierte am Mittwoch im Rechtsausschuss eine "Umwertung der Werte".
Die Aufklärung der Umstände der inzwischen eingestellten Landesverrats-Ermittlungen gegen die Blogger von Netzpolitik.org war am Mittwochmorgen erneut Thema im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Die Sitzung war nicht-öffentlich.
Innenminister Thomas de Maizière, dessen Ministerium das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) unterstellt ist, erschien auch zu dieser zweiten Einladung nicht persönlich. BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen wehrte sich indes gegen die massive Kritik am Vorgehen seiner Behörde, welche mit ihrer Strafanzeige zu den Ermittlungen gegen die Blogger geführt hatte.
Maaßen verteidigte seine Entscheidung, nach den Veröffentlichungen von als geheim eingestuften Wirtschaftsplänen des Verfassungsschutzes auf dem Blog Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen. Er habe als Leiter die Pflicht, Schaden von der Behörde abzuwenden. Dazu gehöre es auch, den Geheimnisschutz sicherzustellen. Dies sei das Ziel der Anzeigen gewesen, nicht die Verfolgung von Journalisten.
Merkmal "Staatsgeheimnis" nicht persönlich geprüft
Die Strafanzeigen habe er erst nach ihrem Abgang im Wortlaut gesehen, sagte Maaßen. Die vom Landeskriminalamt angeforderte Stellungnahme zu der Frage, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um Staatsgeheimnisse gehandelt habe, bezeichnete der 52-Jährige als "eine Art Schadensbericht". Der Sachverhalt sei damit "nicht präjudiziert" worden. Ihm sei die Stellungnahme, die nach Medienberichten das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses bejahte, zur Kenntnis gegeben worden. Die darin formulierte Rechtsauffassung sei vertretbar gewesen, er habe die Frage aber nicht selbst geprüft.
Die Veröffentlichungen auf Netzpolitik.org hatten nach Ansicht des Verfassungsschützers einen besonderen Charakter, da erstmalig Dokumente fast eins zu eins ins Netz gestellt worden seien. Schon in der Vergangenheit sei nach Veröffentlichungen von als geheim eingestuften Informationen geprüft worden, ob eine Strafanzeige geboten sei. Unter anderem aus Opportunitätsgründen habe man davon abgesehen, da mit der Anzeigenstellung in der Regel auch eine Bestätigung der veröffentlichten Information verbunden sei. Diese Option habe aber im Fall Netzpolitik.org nicht bestanden.
"Eine Umwertung der Werte"
Maaßen kritisierte im Zusammenhang mit der Affäre Netzpolitik, dass eine "Umwertung der Werte" stattgefunden habe. Nach einer Welle der öffentlichen Empörung über die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen die Blogger ersetzte der Bundesjustizminister unter streitigen Umständen ein Gutachten des Generalbundesanwalts durch eins aus seinem Ministerium und versetzte Harald Range, nachdem dieser öffentlich einen unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz moniert hatte, in den Ruhestand. Die Ermittlungen wurden danach von Ranges Vertreter eingestellt.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der für sein Verhalten insbesondere aus der Justiz scharf kritisiert wurde, sprach sich als Konsequenz aus der Justizaffäre am vergangenen Montag dafür aus, die Beihilfe zum Landesverrat wie auch die zum Geheimnisverrat straffrei zu stellen. "Die Anzeigensteller haben genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollten, sagte Maas beim Zeitungskongress 2015 in Regensburg. Anzeigensteller Maaßen verortete das Problem am Mittwoch an anderer Stelle: Diejenigen, die sich darum bemühten, die Quelle für die Veröffentlichung von Geheimnissen zu finden, würden als "Schurken" dargestellt, während die Durchstecherei "bagatellisiert" und "verzwergt" werde.
Einen Antrag, Bundesinnenminister de Maizière erneut einzuladen, lehnte der Ausschuss mit Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Zustimmung der Opposition ab. Bereits im August hatte sich der Ausschuss mit dem Sachverhalt beschäftigt. Damals standen vor allem Bundesjustizminister Heiko Maas und Ex-Generalbundesanwalt Harald Range im Mittelpunkt.
pl/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
Maaßen verteidigt Vorgehen: . In: Legal Tribune Online, 23.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16989 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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