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Lagebericht zur organisierten Kriminalität: Berlin als Dreh­scheibe für Sch­leuser

von Dr. Franziska Kring

19.04.2021

Strafakte und StGB

(c) Gerhard Seybert - stock.adobe.com

Weniger Straftaten aus dem Rockermillieu, dafür mehr Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt: Menschen würden aus dem Ausland nach Berlin gebracht, um dort zu Dumping-Löhnen zu arbeiten, heißt es im Lagebericht der StA Berlin.

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Die Staatsanwaltschaft (StA) Berlin hat am Montag den Lagebericht zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in der Hauptstadt vorgestellt. Der Bericht bezieht sich auf die Jahre 2018 bis 2020.

Justizsenator Dr. Dirk Behrendt hob dabei die Ermittlungen im sogenannten EncroChat-Komplex hervor. Im Bereich der organisierten Kriminalität würden häufig Mobiltelefone vom Krypto-Handy-Anbieter EncroChat genutzt, da die Verschlüsselung als besonders sicher gilt. Europol-Ermittlern war es allerdings erstmals gelungen, EncroChat zu hacken und die Chatverläufe einer Vielzahl von Nutzern mitzuschneiden. Die Verwertbarkeit dieser Daten ist indes nicht unumstritten. Die Oberlandesgerichte (OLG) Hamburg, Bremen und Rostock hatten sich bislang aber für die Verwertbarkeit der Beweise ausgesprochen.

Bei den Krypto-Handys gehe es nicht um eine Art von neuen Straftaten, sondern darum, dass Delikte aus dem Dunkelfeld ins Lichte der Ermittlungsbehörden rücken, so Jörg Raupach, Leiter der StA Berlin. Ohne den Zugriff auf die Chatverläufe hätte man die so aufgedeckten Straftaten wohl nie aufklären können, so Raupach weiter.

Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt als neues Phänomen

Laut Raupach ist die Bekämpfung der organisierten Kriminalität seit jeher ein fester Bestandteil der StAlichen Ermittlungen. Die Delikte hätten sich aber mit der Zeit geändert. Anfang der 1990er Jahre ging es demnach vermehrt um gefälschte Euroschecks und Kreditkarten. Heute dagegen beschäftigen sich im Bereich der organisierten Kriminalität vier Abteilungen der StA insbesondere mit Delikten wie Drogenhandel, Zwangsprostitution, Schutzgelderpressung, Menschenhandel sowie bandenmäßigen Diebstählen.

Die sogenannte „Rockerkriminalität“ spiele im Stadtbild entsprechend keine so große Rolle mehr wie noch vor fünf Jahren. Nach Abschluss des spektakulären Prozesses um den Mord an einem 26-jährigen in einem Wettbüro durch Mitglieder der Hells Angels im Januar 2014 habe es hier einen Bruch gegeben. Im Oktober 2019 wurden sieben Rocker nach einem über fünf Jahre dauernden Prozess wegen gemeinschaftlichen Mordes sowie deren Chef wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.

Die Clan-Kriminalität sei in den vergangenen Jahren dagegen wieder vermehrt in den Mittelpunkt gerückt. In Berlin kam es allein in den vergangenen Jahren zu zahlreichen aufsehenerregenden Straftaten, etwa den Überfall auf das KaDeWe im Dezember 2017 sowie den Diebstahl einer Goldmünze im Wert von rund 3,75 Millionen Euro aus dem Bode-Museum.

Ein neues Phänomen sei dabei die Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt. Menschen aus dem Ausland würden oft auf illegalem Wege nach Deutschland gebracht und müssten hier ohne Tarif und ohne Festanstellung zu Stundenlöhnen von unter zwei bis drei Euro arbeiten, so Raupach. Diese Delikte seien als „Wirtschaftskriminalität mit ausbeuterischem Aspekt“ einzuordnen.

Berlin sei dabei eine Drehscheibe für solche Aktivitäten. Konkrete Zahlen nannte Raupach aber nicht. Die Ermittlungen gestalteten sich indes als schwierig, wie er am Montag im Rahmen der Pressekonferenz zum Lagebericht verriet. Zur Eindämmung des Phänomens sei eine neue Stelle für eine Staatsanwältin geschaffen worden, die im bundesweiten Austausch mit Ermittlern stehe. Außerdem arbeite die StA eng mit dem Zoll zusammen.

Vermögensabschöpfung zentral im Kampf gegen Clan-Kriminalität

Seit der großen Vermögensabschöpfungsreform zum Juli 2017 sei die Vermögensabschöpfung der zentrale Kern jedes Strafverfahrens, so Dr. Nina Thom, Leiterin der Abteilung Vermögensabschöpfung der StA Berlin. Diese Abteilung war im Dezember 2018 ins Leben gerufen worden, um die Einziehung von Vermögenswerten nach Straftaten zu erleichtern. Das spielt gerade im Bereich der organisierten Kriminalität eine wichtige Rolle.

Seit der Reform im Juli 2017 muss in jedem Strafverfahren ermittelt werden, ob Täter oder Teilnehmer durch ihre Straftaten Vermögenswerte erlangt haben. Diese Taterträge müssen durch eine Entscheidung des Gerichts eingezogen werden, eine Art bereicherungsrechtlicher Ausgleich im Strafverfahren. Nach der Einziehungsentscheidung erhält dann das Opfer den Tatertrag zurück, wenn es Adressat der verletzten Strafnorm ist.

Aber schon im Vorfeld gibt es Sicherungsinstrumente und Befugnisse zur Beschlagnahme der Gegenstände. Im Juli 2017 beschlagnahmten StA und LKA in mehreren Berliner Stadtteilen insgesamt 77 Wohnungen und Häuser im Wert von mehreren Millionen Euro. Von diesen Immobilien wurden bis jetzt zwei dem Land zugesprochen. Die anderen Ermittlungsverfahren laufen noch, kommen aber bald zum Abschluss, hieß es am Montagmorgen.

Die Abteilung für Vermögensabschöpfung der StA Berlin arbeitet eng mit der Abteilung für Organisierte Kriminalität (OK) zusammen. Insgesamt wurden im Jahr 2020 von der StA Berlin Vermögenswerte in Höhe von rund 24,6 Millionen Euro gesichert. Auf die vier OK-Abteilungen sowie auf die Abteilung für Vermögensabschöpfung entfallen dabei jeweils rund 1,2 Millionen Euro. Rechtskräftige Einziehungsentscheidungen, die noch zu vollstrecken sind, gibt es insgesamt in Höhe von rund 122 Millionen Euro, davon rund 5,5 Millionen aus den OK-Abteilungen und rund 7,2 Millionen Euro aus der Abteilung für Vermögensabschöpfung.

Auch personell hat die StA Berlin aufgerüstet: Gab es im Jahre 2016 noch 354 Stellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, ist die Anzahl im Jahre 2021 auf 427 Stellen angestiegen.

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Franziska Kring, Lagebericht zur organisierten Kriminalität: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44756 (abgerufen am: 19.11.2025 )

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