Staatsanwaltschaft legt Beschwerde ein: Neu­be­ginn des Kob­lenzer Neo­nazi-Pro­zesses?

06.06.2017

Der vorerst geplatzte Neonazi-Prozess von Koblenz könnte nun doch wieder aufgenommen werden: Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen die Einstellung ein.

Die Einstellung eines der umfangreichsten Neonazi-Prozesse in Deutschland sorgte Ende Mai für großen Wirbel. Doch die zuständige Staatsanwaltschaft will den Prozess noch nicht aufgeben und geht nun gegen die Entscheidung des Landgerichts (LG) Koblenz vor.

Die Behörde legte fristgerecht sofortige Beschwerde ein, wie sie am Dienstag mitteilte. Ende Mai war der Prozess nach 337 Verhandlungstagen wegen der überlangen Verfahrensdauer von fast fünf Jahren eingestellt worden. Hintergrund ist, dass der Vorsitzende Richter Hans-Georg Göttgen mit Erreichen der Altersgrenze Ende Juni aus dem Dienst scheiden muss und es keinen Ergänzungsrichter mehr gab.

Nun prüft die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz das Rechtsmittel. Billigt sie es, müsste das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz noch darüber befinden. Das könnte auch wegen möglicher Stellungnahmen der Prozessbeteiligten etwas dauern. Im Ergebnis könnte der Prozess dann von Neuem beginnen.

Zahlreiche Verzögerungen im Prozessverlauf

Das Verfahren drehte sich um Taten aus der mutmaßlich rechtsextremen Organisation "Aktionsbüro Mittelrhein". Im Sommer 2012 hatte es mit ursprünglich 26 Angeklagten begonnen, zuletzt waren es noch 17. Die fast 1000-seitige Anklage umfasste den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Die Staatsanwaltschaft begründet die Beschwerde gegen die Einstellung damit, dass "kein Prozesshindernis der rechtsstaatswidrigen überlangen Verfahrensdauer" vorliege. Anklagebehörde und Gericht seien nicht für die Verzögerungen verantwortlich. Den Verteidigern war indes von Seiten der Kammer immer wieder vorgeworfen worden, das Verfahren unnötig in die Länge zu ziehen.

Tatsächlich verzögerten zahlreiche, mitunter abenteuerliche Vorfälle den Prozess: So trug einer der 34 Verteidiger einen Antrag in Reimform vor, Stinkbomben erzwangen eine Saalräumung und ein Schöffe schied aus dem Verfahren aus, weil er der Anklage vor Weihnachten Schokoladen-Nikoläuse auf den Tisch gestellt hatte.

Mögliche Initiative zur Änderung der StPO

Die Staatsanwaltschaft kritisierte das Gericht zudem für die Vorhersage, dass auch ein neu aufgerollter Prozess sehr lange dauern würde. Ohnehin sei das Verfahren gegen etwa ein Drittel der ursprünglichen Angeklagten bereits rechtskräftig abgeschlossen. "Auch erlauben die im Lichte der bei der bisherigen Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse eine Straffung des künftigen Verfahrens", so die Anklagebehörde.

Die CDU-Opposition im rheinland-pfälzischen Landtag hatte gemahnt, der Prozessabbruch könnte das Vertrauen in den Rechtsstaat beschädigen. Justizminister Herbert Mertin (FDP) kündigte an, bei der Konferenz mit seine Amtskollegen am 21. und 22. Juni im pfälzischen Deidesheim über mögliche Anregungen für eine Anpassung der Strafprozessordnung an derartige Großverfahren zu sprechen.

Mertins Sprecher Christoph Burmeister verwies auch auf die nun schrittweise steigende Altersgrenze von Richtern auf 67 Jahre in Rheinland-Pfalz sowie mögliche künftige Änderungen des Landesrichtergesetzes.

dpa/mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Staatsanwaltschaft legt Beschwerde ein: Neubeginn des Koblenzer Neonazi-Prozesses? . In: Legal Tribune Online, 06.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23118/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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