Ziel des Strafvollzugs ist bekanntlich die Resozialisierung. Mit Einschlusszeiten von 23 Stunden pro Tag ist dieses aber nicht zu erreichen. Das hätten auch die Amtsträger des Landes Berlin erkennen müssen, urteilte jetzt das Kammergericht, das damit über die Klage eines Häftlings entschied.
Das Kammergericht (KG) Berlin hat einem Häftling 900 Euro Entschädigung für einen sechswöchigen Zeitraum zugesprochen, in dem dieser 23 Stunden pro Tag in seiner Zelle verbringen musste. Die Richter hielten das für menschenunwürdig (Urt. v. 17.02.2015, Az. 9 U 129/13).
Der klagende Häftling hatte allerdings einen weitaus höheren Betrag für eine längere Haftzeit gefordert und einen Anspruch aus Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend gemacht. Rund 40.000 Euro hatte er vom Land verlangt und sich dabei auf seine Untersuchungshaft von März 2006 bis Juni 2009 sowie die daran anschließende Strafhaft bis April 2010 berufen.
Die Richter schlossen sich dem aber aus unterschiedlichen Gründen nicht an. Zunächst seien Ansprüche des Häftlings für die Zeit bis einschließlich 31. Dezember 2008 verjährt gewesen und damit nicht mehr zu beachten. Für den Zeitraum bis zum Ende der Untersuchungshaft im Sommer 2009 nahm das Gericht zwar rechtswidrige Haftbedingungen an. Denn während der Dauer der Untersuchungshaft gelte die Unschuldsvermutung. Daher müsse der Häftling in besonderer Weise vor unnötigen Belastungen verschont bleiben. Es habe aber an einem Verschulden der Behörde gefehlt, welches Voraussetzung für einen Anspruch nach § 839 BGB ist. Den Amtsträgern habe sich nicht erschließen müssen, unter welchen Voraussetzungen Einschlusszeiten menschenunwürdig seien. Es habe bis dahin schlicht an einer Rechtsprechung gefehlt.
Für die Zeit der Strafhaft erkannte das Gericht allerdings ein schuldhaftes Verhalten der Behörde. Denn obwohl es auch hier an einschlägiger Rechtssprechung gemangelt habe, hätten die handelnden Amtsträger die Rechtswidrigkeit auch so erkennen müssen. Denn ein Einschluss von 23 Stunden widerspreche offenkundig dem Ziel der Resozialisierung. Dazu brauche es keine gerichtliche Entscheidung. Der Untersuchungshaft liegt das Ziel der Resozialisierung nicht zugrunde.
Dennoch steht dem betroffenen Häftling nur eine Entschädigung für die ersten sechs Wochen seiner Strafhaft zu. Für die Zeit danach greife § 839 Abs. 3 BGB. Danach tritt die Ersatzpflicht trotz schuldhafter Verletzung eines Amtsträgers nicht ein, wenn der Geschädigte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Einlegung eines Rechtsmittels abzuwenden. Der Häftling sei bzgl. des späteren Zeitraums nicht mehr durch Beschwerde oder Verlegungsantrag gegen seine menschenunwürdige Behandlung vorgegangen, teilte das Gericht mit. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
una/LTO-Redaktion
KG Berlin zu Häftling: . In: Legal Tribune Online, 19.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14749 (abgerufen am: 11.11.2024 )
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