In der Energiekrise unterschieden Grundversorger teils zwischen Bestands- und Neukunden. Zu Unrecht, befand das Kammergericht. Auch krisenbedingt erhöhte Beschaffungspreise rechtfertigen nicht zwei Preise für die gleiche Leistung.
Höhere Gas-Preise für Neukunden in der Grundversorgung sind nach einem Urteil des Kammergerichts unzulässig. Damit gab das Gericht einer Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen den Berliner Energiekonzern Gasag statt (Urt. v. 21.03.2025, Az. MK 1/22 EnWG). Der Klage hatten sich laut vzbv 500 Kläger angeschlossen. Von der beanstandeten Vertragspraxis betroffen seien Zehntausende.
Gasag hatte während der Energiekrise ab Dezember 2021 deutlich höhere Preise von Neukunden der Grund- und Ersatzversorgung verlangt als von Bestandskunden. Während für Bestandskunden sieben Cent pro Kilowattstunde Gas berechnet wurden, verlangte das Unternehmen von Neukunden 18 Cent pro Kilowattstunde Gas.
Die vzbv und die Kläger sahen darin einen Verstoß gegen die §§ 36 und 38 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Danach haben Energieversorger für die Grund- und Ersatzversorgung allgemeine Preise festzulegen, die grundsätzlich für jeden Verbraucher gleich sind. Dies sah nun auch das Kammergericht so.
Kammergericht: Höhere Beschaffungspreise unerheblich
Gasag hatte die unterschiedliche Behandlung von Neu- und Bestandskunden damit verteidigt, dass auch die Versorger zu Beginn der Energiekrise deutlich höhere Preise für das Gas bezahlen mussten. In der Folge kündigten damals zahlreiche Energiediscounter die Verträge ihrer Kundinnen und Kunden, die daraufhin automatisch in die Grund- oder Ersatzversorgung von Unternehmen wie Gasag rutschten.
Das Gericht widersprach der Argumentation des Unternehmens auch unter Berücksichtigung der damaligen Rechtslage, die eine Preisdifferenzierung zwischen Bestands- und Neukunden nicht erlaubte. "Insbesondere die gestiegenen Energiebeschaffungspreise stellten keinen rechtlich zulässigen sachlichen Grund für die Differenzierung dar", teilte es mit. Wegen der weiteren Einzelheiten müssen die schriftlichen Entscheidungsgründe abgewartet werden, die noch nicht vorliegen.
Gesetzliche Klarstellung 2022
Damit entscheidet das Kammergericht eine Streitfrage hinsichtlich der Rechtslage bis 2022. Inzwischen hat der Gesetzgeber in § 36 EnWG die Klarstellung aufgenommen, dass Energieversorgungsunternehmen bei den Bedingungen und Preisen der Energieversorgung "nicht nach dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Grundversorgungsvertrages unterscheiden" dürfen. Die von Gasag durchgeführte Preisdifferenzierung wäre nach heutiger Rechtslage also klar unzulässig.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das Unternehmen kann gegen die Entscheidung Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Laut vzbz hat Gasag bereits angekündigt, gegen das Urteil Revision einlegen zu wollen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, können sich alle an der Musterfeststellungsklage beteiligten Verbraucher darauf berufen und Geld zurückfordern. "Vor allem für Haushalte mit geringem Einkommen führte die Ungleichbehandlung der Gasag zu einer starken Belastung", sagte Henning Fischer von der vzbz.
dpa/lmb/LTO-Redaktion
Klage der Verbraucherzentrale gegen "Zweiklassensystem": . In: Legal Tribune Online, 24.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56856 (abgerufen am: 29.04.2025 )
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