KG Berlin verurteilt syrischen Palästinenser: Lebens­lang wegen Kriegs­ver­b­re­chens in Damaskus

23.02.2023

Hunderte Menschen standen dicht gedrängt und warteten auf Hilfspakete, als eine Granate in Richtung der Menge abgefeuert wird. Jahre später wird nun ein aus Syrien stammender Mann in Berlin verurteilt.

Mehr als acht Jahre nach einem Anschlag mit mehreren Toten in der syrischen Hauptstadt Damaskus hat das Berliner Kammergericht (KG) einen 55-Jährigen zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht befand den Mann palästinensischer Herkunft am Donnerstag des besonders schweren Kriegsverbrechens sowie des vierfachen Mordes und versuchten Mordes in zwei Fällen schuldig. Zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest, wodurch eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen wäre (Urt. v. 23.02.2023, Az. 2 – 1/22).

Nach Überzeugung des Gerichts schoss der Mann am 23. März 2014 im Stadtteil Al Yarmouk, einem aus einem palästinensischen Flüchtlingslager entstandenen Viertel von Damaskus, ohne Vorwarnung und gezielt mit einer Panzerabwehrwaffe in eine Menschenmenge. "Um dem Hungertod zu entgehen", hätten sich die Menschen dort bei der Verteilung von Hilfsgütern versammelt, so die Vorsitzende Richterin, Delia Neumann, bei der Urteilsverkündung. Der Angeklagte habe an dem Tag im Auftrag einer palästinensischen Gruppierung einen Kontrollpunkt befehligt und sollte die Verteilung von Lebensmittelpaketen beaufsichtigen. 

Der Anschlag sei ein Racheakt gewesen, nachdem der 25 Jahre alte Neffe des Mannes kurz zuvor bei einem Schusswechsel mit Kämpfern der "Freien Syrischen Armee" (FSA) getötet worden sei. "Er war an diesem Tag noch immer wütend darüber", sagte die Richterin. Der 55-Jährige habe unvermittelt mit einer RPG7 in die Menge gefeuert. "Er handelte in der Absicht zu töten", so Neumann.

Vermutlich gab es mehr Opfer

Mindestens vier Menschen seien dadurch getötet worden und zwei Männer schwer verletzt. "Es spricht sehr viel dafür, dass es deutlich mehr Tote und Verletzte gab", sagte die Richterin. Für eine Verurteilung reichten die vorliegenden Kenntnisse aber nicht aus. "Wir konnten den Toten keine Namen geben", so Neumann.  

Das Gericht sah das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe als erfüllt an. Bei dem eingesetzten Granatwerfer handele es sich zudem um ein gemeingefährliches Mittel. Durch die Verwendung dieser, eigentlich der Bekämpfung gepanzerter und ungepanzerter Ziele dienenden Waffe habe der Mann darüber hinaus in Tateinheit einen Angriff mit militärischen Mitteln gegen die Zivilbevölkerung im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) begangen. Dabei handelt es sich um ein besonders schweres Kriegsverbrechen.

Das Gericht folgte nach knapp 40 Verhandlungstagen mit seinem Urteil im Wesentlichen dem Antrag der Bundesanwaltschaft. Diese war allerdings in ihrer Anklage von Mord in sieben Fällen ausgegangen. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es ist eine Revision dagegen möglich.

Der staatenlose Mann war Anfang August 2022 in Berlin gefasst worden und sitzt seither in Untersuchungshaft. Bis zu seiner Inhaftierung hat er nach Gerichtsangaben als anerkannter Flüchtling in der Hauptstadt gelebt.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

KG Berlin verurteilt syrischen Palästinenser: . In: Legal Tribune Online, 23.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51146 (abgerufen am: 12.12.2024 )

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