Prozess nach 30 Jahren im Exil: "Komitee"-Mit­g­lieder gestehen geplanten Spreng­stof­f­an­schlag

17.03.2025

In den Neunzigern sollen zwei Männer einen Anschlag auf ein Abschiebegefängnis geplant haben. Als das Vorhaben scheiterte, tauchten sie unter. Fast genau 30 Jahre später stellen sie sich in Berlin dem Prozess.

30 Jahre sind vergangen seit einem gescheiterten linksextremen Sprengstoffanschlag in Berlin, Jahrzehnte waren die mutmaßlichen Täter im Ausland untergetaucht – nun läuft der Prozess gegen sie auf Bewährungsstrafen hinaus. Aus Sicht der Angeklagten Peter K. (65) und Thomas W. (62) ist das ein Erfolg. W. zeigte Unterstützern im Zuschauerraum des Kammergerichts am ersten Prozesstag mit einer Hand das Siegeszeichen. Kurz danach legten beide über ihre Anwälte Geständnisse ab. Ein Urteil soll es im April geben.

Der Vorsitzende Richter Gregor Herb schlug zu Beginn nach Verlesung der Anklage eine Verständigung zwischen den Prozessbeteiligten vor: Danach sei eine Gefängnisstrafe zwischen einem Jahr und zehn Monaten und zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, für die beiden Angeklagten möglich. Voraussetzung seien die Geständnisse. Auch die Untersuchungshaft solle dann noch am ersten Prozesstag ausgesetzt werden, sagte der Richter.

Wie erwartet stimmten Bundesanwaltschaft und Verteidiger zu. Die beiden Verteidiger verlasen kurze, aber umfassende Geständnisse von Peter K. und Thomas W. Damit waren die Voraussetzungen der Verständigung nach § 275c Strafprozessordnung erfüllt.

120 Kilo Sprengstoff in Propangasflaschen

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hatte im Dezember 2024 Anklage wegen der Verabredung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion nach § 30 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) i. V. m. § 311 Abs. 1 StGB a. F. gegen die Männer erhoben. Erst in der vergangenen Woche waren sie nach Flucht, Untertauchen und Exil in Südamerika aus Venezuela nach Deutschland zurückgekehrt, am Berliner Flughafen festgenommen und in die Untersuchungshaft gebracht worden.

Laut ihrer Geständnisse, die von den jeweiligen Verteidigern vorgelesen wurden, planten Peter K. und Thomas W. sowie ein inzwischen gestorbener Komplize als Gruppe unter dem Namen "Das K.O.M.I.T.E.E." im April 1995 den Anschlag auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau. Vor allem Abschiebungen von kurdischen Unterstützern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in türkische Gefängnisse habe man verhindern wollen.

Dafür füllten sie mehr als 120 Kilogramm Sprengstoff in Propangasflaschen und präparierten diese mit selbstgebauten Zeitzünder, wie sie gestanden. Nach dem Tatplan hätten die Falschen noch in derselben Nacht im Keller des Gebäudes deponiert und zur Explosion gebracht werden sollen. Der Anschlag scheiterte, weil die Gruppe beim Umladen der Sprengvorrichtungen auf einem Parkplatz von einer zufällig vorbeifahrenden Polizeistreife gestört wurde. Die Männer flüchteten, wobei sie ihre Ausweise zurückließen – und Deutschland für lange Zeit verließen.

Tat noch nicht verjährt

Ihre grundsätzliche politische Einstellung habe sich nicht geändert, deuteten K. und W. in ihren Geständnissen an. W. sagte, er halte die Praxis der Abschiebung damals und heute für "unerträglich". Auf seinem T-Shirt stand "Systemchange". Wichtig sei ihnen bei den Planungen zu dem Anschlag gewesen, keine Menschen zu gefährden, betonten beide. Auch die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass den Angeklagten bekannt gewesen sei, dass sich aufgrund der Baustelle in der Nacht keine Menschen in dem Gebäude aufhielten. In ihrem Geständnis gaben die Männer auch einen vorherigen Brandanschlag auf ein Kreiswehrersatzamt der Bundeswehr in Brandenburg zu.

Dass es überhaupt nach fast 30 Jahren noch zum Prozess kommt, liegt am Strafrahmen sowie an den gegen die Angeklagten zwischenzeitlich erlassenen Haftbefehlen. Für die Verabredung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion ist (auch in der zur Tatzeit geltenden Gesetzesfassung) eine Höchststrafe von 15 Jahren vorgesehen. Die Verjährungsfrist beträgt deshalb nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB 20 Jahre. 

Die sind seit der Tat bereits verstrichen, jedoch wurde die Verjährung jedenfalls durch die Beantragung mehrerer Haftbefehle in den Jahren 2014 und 2016 nach § 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StGB unterbrochen. Das entschied 2016 der Bundesgerichtshof, als er die Beschwerden von K. und W. gegen die Haftbefehle verwarf (Beschl. v. 30.06.2016, Az. StB 14-16/17). Wird die Verjährung unterbrochen, beginnt die Frist nach § 78c Abs. 3 StGB von vorne. Allerdings ist eine Höchstfrist ab der Tatzeit zu beachten, die beträgt das Doppelte der Verjährungsfrist, hier also 40 Jahre. Sie verstreicht also erst 2035.

Neues Zuhause auf kleinem Bauernhof mit Salat und Erdbeeren

Ob sie ihre Zukunft in Deutschland oder Venezuela sehen, sagten sie nicht. K. berichtete in seinem Geständnis auch kurz von seinem Leben in Venezuela. "Ich habe dort einen kleinen Bio-Bauernhof mit Salat und Erdbeeren, das ist bis heute mein Lebensmittelpunkt." Sie seien nun "aus freien Stücken nach Berlin gekommen, um alte Freunde zu treffen".

Beide Angeklagten konnten das Gericht nach knapp zweistündiger Verhandlung frei verlassen und ihre Sachen aus dem Untersuchungsgefängnis abholen. Dafür könne der "Komfort der Fahrbereitschaft zur JVA Moabit in Anspruch" genommen werden, sagte der Richter mit einem Lächeln zum Abschluss der Verhandlung. Im Zuschauerraum erhoben sich einige Unterstützer und skandierten: "Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord." Der Richter erwiderte: "Dann bis morgen also."

Der Prozess soll nach aktuellem Stand noch weitere drei Verhandlungstage dauern und am 8. April mit dem Urteil enden. Bis dahin müssen sich die beiden Angeklagten zweimal wöchentlich bei der Polizei melden, einer will in den nächsten Wochen in Berlin bleiben, der andere in der Nähe von Baden-Baden, wo er geboren wurde.

dpa/lmb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Prozess nach 30 Jahren im Exil: . In: Legal Tribune Online, 17.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56810 (abgerufen am: 25.04.2025 )

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