Nach den Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlungen in einer JVA in Augsburg ist das Justizministerium in Bayern unter Druck. Es räumt ein, schon länger Kenntnis von den Zuständen gehabt zu haben.
Nach Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlungen in der JVA Augsburg-Gablingen hat das Justizministerium personelle Konsequenzen gezogen: Die Anstaltsleiterin ist seit Donnerstag vom Dienst freigestellt, teilte Minister Georg Eisenreich (CSU) im Rahmen einer Presseerklärung mit. Sie sei aber weder Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren, noch laufe gegen sie ein Disziplinarverfahren, betonte er. Es gehe darum, die Aufklärung zu erleichtern, so der Minister. Eine neue stellvertretende Leiterin sei kommissarisch im Amt, diese leite vorerst die Anstalt.
Konkret besteht nach Angaben der Staatsanwaltschaft der Anfangsverdacht, dass Gefangene möglicherweise unbekleidet in sog. besonders gesicherten Hafträumen (BgH, "B-Zelle") ohne gefährdende Gegenstände untergebracht worden sein sollen, ohne dass die besonderen Voraussetzungen für diese Maßnahme vorlagen.
"Die im Raum stehenden Vorwürfe im Zusammenhang mit der JVA Augsburg-Gablingen sind gravierend. Wenn in einem Rechtsstaat der Vorwurf von Übergriffen und Misshandlungen im Raum steht, erschüttert dies das Vertrauen der Menschen in die rechtsstaatlichen Institutionen", so Eisenreich. Deshalb müssten die Vorwürfe "rückhaltlos" aufgeklärt werden. Derzeit werde gegen zehn Beschuldigte ermittelt, die allesamt in der JVA beschäftigt sind. Laut Informationen der dpa ist darunter auch die vormals stellvertretende Anstaltsleiterin.
Diese weist die entsprechenden Vorwürfe gegen sie über ihre Anwälte, Alexander Stevens und Holm Putzke, zurück. Diese richteten sich zwischenzeitlich in einem Brief an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Sie fordern von ihm, dem Ministerium "die Befugnis zu entziehen, sich weiterhin als Aufsichtsbehörde mit der Prüfung von Vorwürfen in Zusammenhang mit der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen zu befassen". Laut BR24 haben die Anwälte zudem Strafanzeige gegen "die verantwortlichen Mitarbeiter des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz wegen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen erstattet".
Vorwürfe schon länger bekannt - Minister nicht informiert
Am vergangenen Wochenende waren Ermittlungen zu Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlung gegen mehrere Mitarbeiter der JVA Augsburg-Gablingen bekanntgeworden. Dem Justizministerium zufolge wurden Disziplinarmaßnahmen gegen die Beschuldigten eingeleitet und Betretungsverbote für die JVA verhängt. Bei den Ermittlungen geht es um den Anfangsverdacht der Körperverletzung im Amt gemäß § 340 Strafgesetzbuch (StGB). Das Ministerium räumte ein, bereits seit einem Jahr Kenntnis von den Vorwürfen zu haben.
Jedoch betonte Eisenreich, nicht über die ersten Vorwürfe einer Anstaltsärztin zu Zuständen in der JVA in Kenntnis gesetzt worden zu sein. "Ich bin im letzten Jahr, wie diese E-Mail kam, nicht darüber informiert worden", sagte er. Die damalige Anstaltsärztin hatte sich Mitte Oktober 2023 mit einer Eingabe insbesondere zu der Unterbringung von Gefangenen in den besonders gesicherten Hafträumen in der JVA an die Strafvollzugsabteilung des Ministeriums gewandt.
Die zuständige Abteilung habe umgehend gehandelt, vor allem die Staatsanwaltschaft zur Prüfung der Vorwürfe eingeschaltet, betonte Eisenreich. "Was sie nicht gemacht hat, war mich zu informieren." Es sei aber nichts vertuscht worden, mögliche Straftaten würden konsequent verfolgt. Die Abteilung habe die Aufklärung der Vorwürfe primär bei der Staatsanwaltschaft gesehen.
Eisenreich räumte aber ein, dass die Dimension der Vorfälle in seinem Ministerium möglicherweise unterschätzt worden sei. "Rückblickend muss man sagen, dass bei der Kontrolle von Gablingen noch mehr hätte passieren müssen", sagte der Minister.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Misshandlungs-Vorwürfe in der JVA Augsburg-Gablingen: . In: Legal Tribune Online, 31.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55756 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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