Geldauflage gegen Einstellung von Strafverfahren: Wie ver­teilt die Justiz ihre Spenden?

von Paula Binder

15.02.2023

Über eine Milliarde Euro Geldauflagen aus eingestellten Strafverfahren hat die Justiz in den vergangenen 15 Jahren verteilt - doch nach welchen Kriterien, ist völlig undurchsichtig. Das zeigt die aktualisierte Datenbank von correctiv.org.

Steht die Schwere der Schuld dem nicht entgegen, können Strafverfahren gegen Geldauflage eingestellt werden – so weit nichts Neues. So kamen in den vergangenen 15 Jahren über eine Milliarde Euro zusammen. Doch wohin fließen diese Gelder eigentlich? Eine Behörde, die bundesweit erhebt oder gar kontrolliert, wer von den Zahlungen profitiert, gibt es nicht. Bei einem Blick in die neue Datenbank der unabhängigen Rechercheplattform Correctiv.org, die erneut Daten aus allen Bundesländern gesammelt hat, wird aber schnell klar: die Praxis der Spendenverteilung ist fragwürdig.  

Verteilt werden sie durch die Justiz. Richter und Staatsanwälte entscheiden weitgehend frei, wer bedacht wird. In den meisten Fällen gehen sie an gemeinnützige Organisationen. So finden sich in der Datenbank von Correctiv.org zahlreiche Organisationen, die Hilfsbedürftige unterstützen, darunter: die Deutsche KrebshilfeWeißer Ring oder der Verein Aktion Deutschland Hilft. Sie haben Millionenbeträge erhalten.  

Doch die Daten zeigen auch, dass sich unter den Spendenempfängern auffallend viele Amateurfußballvereine und auch örtliche Schützenvereine, sogar Golfklubs und ein Weingut befinden. Zudem haben vereinzelt missionarische Vereine und Abtreibungsgegner Geld erhalten. So erteilte die nordrhein-westfälische Justiz erst im Jahr 2021 einem Straftäter die Auflage, an den in Afrika missionarisch tätigen Weiße Väter e.V. 500 Euro zu zahlen, wie bereits die SZ berichtete. Ein Bezug ist nicht erkennbar – warum gerade dieser Verein? Es drängt sich die Frage nach einer persönlichen Agenda auf. Eine konkrete Nachverfolgung der Zahlungen ist selten möglich, denn welche Personen das Geld verteilt haben, wird von der Justiz in der Regel nicht dokumentiert. 

Praxis in den Bundesländern unterscheidet sich stark 

Dabei haben die Bundesländer auf die Kritik ob der fehlenden Transparenz und der immer wieder ans Licht kommenden Fälle von Vetternwirtschaft bereits reagiert. Die Regelungen hinsichtlich der Spendenverteilung unterscheiden sich jedoch von Bundesland zu Bundesland stark.  

Als Vorbild für Fortschritt in Sachen Transparenz geht Niedersachsen voran. Das Land veröffentlicht jährlich alle Einrichtungen, die von Geldauflagen profitiert haben, sogar mit den einzelnen Beträgen und den zuweisenden Gerichten und Staatsanwaltschaften. Problembewusstsein zeigt auch Hamburg: Hier entscheiden Richter und Staatsanwälte niemals allein, sondern stets zentral in kollegialen Gremien.  

Und auch in Bremen wurden die Regeln geändert. Wenn gemeinnützige Einrichtungen mehr als 10.000 Euro erhalten oder "persönliche Beziehungen des Bearbeiters" zum Empfänger bestehen, muss mittlerweile die Behördenleitung zustimmen. Zudem müssen Vereine nun einen Verwendungsnachweis einreichen, wenn sie mehr als 1.500 Euro erhalten haben. Besonders intransparent gestalten sich hingegen nach wie vor die Vorgänge in Baden-Württemberg. 

"Es muss klar sein, von welchem Richter ein Betrag an wen verteilt wird"

Auffällig ist auch die unterschiedliche Verteilungspraxis von Richtern und Staatsanwälten. So vergeben beispielsweise nach Angaben von correctiv.org die Richter in Bremen die Spenden zumeist an Einrichtungen und Organisationen, lediglich 30 Prozent gehen in die Staatskasse. Anders sieht das bei den Staatsanwälten aus: sie leiten die Gelder zu 90 Prozent der Staatskasse zu. Erklären lässt sich das mit der Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte einerseits und der richterlichen Unabhängigkeit andererseits, so correctiv.org. 

Die richterliche Unabhängigkeit sei auch der Grund dafür, warum Reformen hinsichtlich der Vorgaben für die Verteilung durch Richter scheiterten, so ein Sprecher des Bremer Justizministeriums. Einziges Kriterium, nach dem sie sich richten müssen, ist daher weiterhin nur die Gemeinnützigkeit - die mit Blick auf die Datenbank wohl zum Teil sehr wohlwollend ausgelegt und kaum kontrolliert wird.   

Das muss sich ändern, fordern sowohl Landesrechnungshöfe als auch Richter selbst. Sie verlangen mehr Kontrolle, öffentliche Informationen und Transparenz. "Es muss klar sein, von welchem Richter ein Betrag an wen verteilt wird", so Amtsrichter Ulf Thiele, der Sprecher der Gruppe Strafrecht der Neuen Richtervereinigung. Die Geldzuweisungen sollten übersichtlich und öffentlich einsehbar sein.

Zitiervorschlag

Geldauflage gegen Einstellung von Strafverfahren: . In: Legal Tribune Online, 15.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51073 (abgerufen am: 08.10.2024 )

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