Können Tipper Verluste zurückverlangen, wenn der Sportwettenanbieter keine Konzession hat? Darüber konnte der BGH lange nicht entscheiden, weil die Anbieter die Kunden in letzter Minute schadlos stellten. Jetzt griff der BGH zu einem Trick.
Viele Personen, die in früheren Jahren bei Sportwetten im Internet Verluste gemacht haben, können auf Rückerstattung hoffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Fall, den er Anfang Mai verhandeln will, deutlich auf die Seite der Spieler gestellt. Der Anbieter hat nach vorläufiger Einschätzung des I. Zivilsenats gegen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) in seiner Fassung von 2012 verstoßen, heißt es in dem bisher nicht veröffentlichten Hinweisbeschluss, der LTO vorliegt (Beschl. v. 22.03.2024, Az. I ZR 88/23).
Konkret geht es in dem Fall um die Frage, ob ein Wettanbieter, der im Inland nicht über die hierfür erforderliche Konzession der zuständigen Behörde verfügte, die verlorenen Wetteinsätze in Höhe von fast 12.000 Euro eines Spielers erstatten muss.
Rechtsgrundlose Bereicherung des Wettanbieters
Ende 2018 hatte der Kläger bei dem österreichischen Wettanbieter gespielt. Für diesen Zeitraum bestand jedoch keine entsprechende Erlaubnis der deutschen Behörde, die Konzession fehlte. Deshalb macht der Kläger die Unzulässigkeit der Wetten sowie die Unwirksamkeit der entsprechenden Wettverträge geltend. In erster Instanz hatte das Landgericht die Klage abgewiesen, vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte der Kläger mit seiner Berufung dann aber Erfolg. Es bejahte eine ungerechtfertigte Bereicherung des Sportwettenanbieters auf Grundlage von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der fehlende Rechtsgrund für die Bereicherung ergebe sich hier aus Sicht des Senats aus einem Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV, was die Nichtigkeit der Wettverträge gemäß § 134 BGB zur Folge habe.
Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass der Wettanbieter vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Ende 2016 ein Urteil erstritt, wonach ihm eigentlich eine siebenjährige Konzession zuzusprechen gewesen wäre (dort Az. 5 K 1467/14.Wi). Denn insoweit seien keine entsprechenden Ausnahmen statuiert. Auch §§ 762, 242, § 814 und § 817 S. 2 Hs. 1 BGB halfen dem Wettanbieter nicht weiter.
BGH greift zu Trick 17
Eine Entscheidung des BGH zu der Fallkonstellation gab es bislang nicht. Auf rechtliche Orientierung warten wegen tausender ähnlicher Fälle aber viele. Grund für das Ausbleiben einer Festlegung des BGH war, dass Wettanbieter die Kläger immer wieder schadlos stellten, offenbar um ein Urteil zu verhindern. Wie auch beim Dieselskandal griff der BGH nun wohl zu einem Trick, um doch seine Entscheidung kundzutun. VW hatte damals viele Kläger ebenfalls kurz vor einer BGH-Entscheidung schadlos gestellt, so dass der BGH keine Leitentscheidung treffen konnte. Daraufhin veröffentlichte der BGH einen Hinweisbeschluss und das sogar in einem Verfahren, in dem schon ein Vergleich stand. Er entschied, dass die illegale Abschalteinrichtung von VW einen Sachmangel darstellt.
Der nun erfolgte Hinweisbeschluss zu Sportwetten veröffentlichte der BGH zwar nicht selbst, konnte aber aufgrund seiner Brisanz wohl davon ausgehen, dass er das Licht der Öffentlichkeit erblicken würde.
Der I. Zivilsenat weist im Hinweisbeschluss im Wesentlichen unter denselben Gründen wie zuvor das OLG Dresden nunmehr darauf hin, dass die Revision des Wettanbieters voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Eine Hintertür verbleibt in dem Hinweisbeschluss gleichwohl: unter anderem zur Trennung der Wetten von anderen Glücksspielen (§ 4 Abs. 5 Nr. 5 GlüStV) und den Ausschluss von sog. Ereigniswetten auf einzelne Vorgänge während des laufenden Sportereignisses (§ 21 Abs. 4 S. 3 Hs. 2 GlüStV) habe das OLG Dresden keine Feststellungen getroffen. Soweit es hierauf noch streitentscheidend ankommen sollte, wäre eine Zurückverweisung für weitere Feststellungen denkbar.
Keine Vorlage nach Luxemburg
Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) sieht der I. Zivilsenat hier keine Notwendigkeit, da die entscheidenden Rechtsfragen bereits hinreichend geklärt seien. Nicht Gegenstand der Revision, aber für Freunde des Internationalen Privatrechts zusätzlich noch interessant: das OLG Dresden hatte die internationale Zuständigkeit aus Art. 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-Ia-VO sowie die Anwendungen deutschen Sachrechts aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO abgeleitet.
Für die Revision ist ein Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Mai angesetzt. Schon jetzt gibt es Tausende Verfahren dieser Art, weil zum einen mehrere Firmen in einer rechtlich unklaren Lage Sportwetten angeboten hatten und sich zum anderen Kanzleien auf solche Fälle spezialisiert haben und aktiv Sportwetter akquirieren. Bislang hatten die Gerichte unterschiedlich geurteilt (siehe auch Az. I ZR 90/23), der Hinweisbeschluss wird insoweit nun richtungsweisend sein.
jb/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa
Hinweisbeschluss zu unerlaubten Sportwetten: . In: Legal Tribune Online, 09.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54286 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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