Eine Dieselklage gab dem BGH Gelegenheit, eine hochumstrittene Rechtsfrage zur Verkehrs-Rechtsschutzversicherung zu klären: Die Versicherung erstreckt sich auch auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Fahrzeugs.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkte am Mittwoch die Rechte vieler vom Dieselskandal betroffener Autokäufer gegenüber ihren Rechtsschutzversicherern. Die vielfach verwendeten Versicherungsklauseln seien unklar, was zulasten der Versicherungen gehe. Damit gab der IV. Zivilsenat der Klage einer Versicherungskundin gegen Unternehmen der ADAC Versicherung AG statt (Urt. v. 15.10.2025, Az. IV ZR 86/24).
Die Frau unterhielt seit 1997 eine Verkehrs-Rechtsschutzversicherung beim ADAC. 2017 erwarb sie einen Gebrauchtwagen, der mit einem Dieselmotor ausgestattet war, welcher ein illegales Thermofenster enthielt. Das Fahrzeug wurde einige Tage nach dem Erwerb auf die Klägerin zugelassen. Nach Bekanntwerden des Dieselskandals wollte die Frau den Autobauer wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen und erbat dazu von der ADAC Versicherung eine Deckungszusage. Der ADAC lehnte dies jedoch ab.
Dagegen zog die Autokäuferin vor Gericht. In erster Instanz war sie zunächst erfolgreich, doch das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig wies die Klage im Berufungsverfahren ab (Az. 16 U 11/24). Der BGH gab der Frau nun recht in der wesentlichen, unter den Gerichten bislang stark umstrittene Frage: Er urteilte, dass der Versicherungsschutz auch für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines noch auf den Versicherungsnehmer zuzulassenden Fahrzeugs bestehe. Er lehnte demgegenüber die Rechtsauffassung des OLG und des Versicherers ab, wonach Versicherungsschutz nur hinsichtlich solcher Fahrzeuge bestehe, die schon bei Abschluss des Versicherungsvertrags auf den Versicherungsnehmer zugelassen waren.
BGH: Zweifel gehen zulasten der Versicherung
Die maßgeblichen Klauseln der Verkehrsrechtsschutz-Versicherungsbedingungen (VRB) 1994 liefern auf diese Frage laut BGH keine klare Antwort. Insbesondere die in den Absätzen 1, 2 und 8 des § 21 VRB enthaltenen Aussagen dazu ließen den Durchschnittsempfänger ratlos zurück. Für die Rechtssauffassung der Klägerin spreche entscheidend Abs. 8 Satz 3: "Wird ein Fahrzeug hinzuerworben, das in die Gruppe eines versicherten Fahrzeugs fällt, so besteht Versicherungsschutz auch für Rechtsschutzfälle, die im Zusammenhang mit dem Vertrag über den Erwerb stehen." So resümierte der Senat: "Bei aufmerksamer Lektüre der Versicherungsbedingungen" werde der Versicherungsnehmer annehmen können, das Leistungsversprechen des Versicherers erstrecke sich auch auf Schadensersatzklagen wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung.
Letztlich wendete der Senat den für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) geltenden § 305c Abs. 2 BGB an, wonach Auslegungszweifel zu Lasten des Verwenders, also hier der Versicherung, gehen.
Deshalb hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit an diese zurück.
jb/mk/LTO-Redaktion
BGH zu Verkehrs-Rechtsschutzversicherung: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58392 (abgerufen am: 14.11.2025 )
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