Ein Gutschein für einen annullierten Flug geht noch - doch wird der damit gebuchte Flug dann ebenfalls annulliert, geht das nicht mehr. Fluggäste können dann Entschädigung in Geld verlangen, hat der BGH klargestellt.
Fluggäste können für einen annullierten Flug Erstattung in Geld verlangen, wenn sie mit einem Gutschein gezahlt haben - auch dann, wenn dieser Gutschein vormals für einen ebenfalls annullierten Flug ausgestellt wurde. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt (Urt. v. 16. 01. 2025, Az. IV ZR 236/23).
In dem Fall hatten vier Personen im Dezember 2019 bei einer Fluggesellschaft Flüge für Mai und Juni 2020 zu einem Preis von 479,96 Euro erworben. Die Flüge wurden pandemiebedingt abgesagt und den Gästen ein Gutschein in Höhe des Flugpreises ausgestellt. Im November 2020 buchten sie dann bei derselben Fluggesellschaft Flüge für Juni 2021, den Flugpreis von 497,96 Euro bezahlten sie mit dem zuvor erteilten Gutschein.
Weniger als zwei Wochen vor Abflug annullierte die Fluggesellschaft dann auch diese Flüge, ohne eine Ersatzleistung anzubieten. Die Fluggäste traten ihre Ansprüche gegen die Fluggesellschaft daraufhin an die Klägerin ab, die dann die Gesellschaft zur Rückzahlung des Flugpreises sowie einer Ausgleichszahlung von 400 Euro pro Person, also insgesamt 1.600 Euro, aufforderte und verklagte.
Auch Bezahlung mit einem Gutschein ist eine Bezahlung
Die Ansprüche der Fluggäste richten sich laut dem Urteil nach der sogenannten Fluggastrechteverordnung (Fluggastrechte-VO). Laut BGH ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung ein Anspruch auf vollständige Erstattung der Flugscheinkosten in Höhe von 497,96 Euro.
Dass die Fluggäste den gebuchten Flug mit einem Gutschein bezahlt hatten, stehe dem nicht entgegen. Der Gutschein habe nämlich für sämtliche Flüge der Fluggesellschaft nach Wunsch der Fluggäste gegolten und sie hätten ebenso gut mit Geld bezahlen können. Die beklagte Fluggesellschaft habe den Gutschein an Erfüllung statt akzeptiert und die Buchung bestätigt.
Die Gäste seien auch weder kostenlos noch zu einem reduzierten Tarif gereist, so dass auch der Ausschlusstatbestand aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 Fluggastrechte-VO nicht greife. Um Ansprüche aus der Fluggastrechte-VO geltend zu machen, muss die Beförderung mit einem Entgelt erkauft worden sein. Ausgeschlossen sind daher beispielweise Kleinkinder, die keinen Flugpreis entrichten und auf dem Schoß ihrer Eltern reisen oder Flugpersonal, das etwa einen Flug unentgeltlich als dienstlichen Zubringerflug nutzt.
Hier haben die Gäste den Flugpreis allerdings bezahlt. Dass die Bezahlung durch den erteilten Gutschein erfolgte, ändere daran laut BGH nichts. Schließlich war der Gutschein das entsprechende Entgelt für einen solchen Flug wert und gerade nicht kostenlos.
Auch die Tatsache, dass zwischenzeitlich ein Insolvenzverfahren für die Fluggesellschaft eröffnet und wieder abgeschlossen wurde, ändere nichts daran. Bei dem Anspruch handele es sich laut BGH um eine Masseverbindlichkeit und keine Insolvenzforderung. Die Parteien hätten schließlich nach der Ausstellung des Gutscheins einen neuen Beförderungsvertrag geschlossen. Dass die Gäste den gebuchten Flug mittels eines Gutscheins bezahlt hatten, welcher ihnen für einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gebuchten Flug ausgestellt worden war, stehe dem nicht entgegen.
Nicht noch ein Gutschein
Dass die Fluggesellschaft den Gästen noch einen weiteren Gutschein ausstellt, sei ausgeschlossen, da sie dem nicht zugestimmt hatten. Zwar war in den Bedingungen des Gutscheins vorgesehen, dass im Falle der Annullierung eines mittels Gutscheins gebuchten Flugs wiederum ein Gutschein erteilt werde. Die Klausel verstoße aber gegen zwingendes Recht (Art. 15 Fluggastrecht-VO) und sei daher unwirksam.
Das begründet der BGH folgendermaßen: Der Fluggast hat im Falle der Annullierung eines Flugs Anspruch auf vollständige Erstattung der Flugscheinkosten (Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Fluggastrechte-VO). Diese Erstattung habe durch Barzahlung, Überweisung oder Scheck zu erfolgen, die Zahlung in Form eines Reisegutscheins ist danach nur mit schriftlichem Einverständnis des Fluggastes möglich. In diesem Fall müsse der Fluggast die Annahme einer Erstattung in Form eines Reisgutscheins “ausdrücklich, endgültig und eindeutig“ erklären. Eine formularmäßige Vorwegnahme der Annahme eines erneuten Gutscheins im Falle einer Annullierung des mit dem Gutschein gebuchten Flugs widerspreche Vorgaben des Unionsrechts. Es fehlt laut BGH sowohl an einem ausdrücklichen, endgültig und eindeutig erklärten Einverständnis mit einer erneuten Gutscheinerteilung als auch an der Freiwilligkeit einer solchen Erklärung.
Die Höhe des Erstattungsanspruchs richtet sich laut BGH nach dem Flugpreis. Die Fluggesellschaft habe eine neue Buchung zum Preis von 479,96 Euro angenommen und den Gutschein als Bezahlung akzeptiert, damit habe sie selbst dem Gutschein diesen Wert beigemessen. Hieran ändere auch das zwischenzeitliche Insolvenzverfahren nichts.
Außerdem besteht laut BGH ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen in Höhe von jeweils 400 Euro, insgesamt also 1.600 Euro, aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b Fluggastrechte-VO. Wer Ansprüche nach der Fluggastrechte-VO geltend machen kann, dem stehen auch Ausgleichszahlungen zu, so der BGH.
BGH zu Fluggastrechten: . In: Legal Tribune Online, 23.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56414 (abgerufen am: 12.02.2025 )
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