Während Buschmanns Staatsbesuch: Netan­jahu treibt ums­trit­tene Jus­tiz­re­form voran

21.02.2023

Während der deutsche Justizminister auf Staatsbesuch im Lande angekommen ist, treibt das israelische Parlament in erster Lesung die heftig umstrittene Justizreform voran. Nach wie vor protestieren Zehntausende.

Der Besuch von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in Israel kommt zu einer brisanten Zeit. Seit Wochen gehen Zehntausende Menschen gegen eine von Israels neuer Regierung geplante Justizreform auf die Straßen. Wenige Stunden nach Buschmanns Ankunft im Land am Montag billigte das Parlament in Jerusalem einen Teil des umfassenden Gesetzesvorhabens in der ersten von drei Lesungen. Zeitgleich kam es in Jerusalem und weiteren Landesteilen erneut zu Massenprotesten.

Entmachtung des Höchsten Gerichts geplant

Nach Plänen der rechts-religiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll es dem - aktuell von ihr dominierten - Parlament künftig möglich sein, mit einer einfachen Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Außerdem sollen Politiker bei der Richterernennung mehr Einfluss erhalten. Das Gesetzesvorhaben, das noch zahlreiche weitere tiefgreifende Veränderungen umfasst, könnte Netanjahu auch in dem derzeit gegen ihn laufenden Korruptionsprozess in die Hände spielen.

Kritiker sehen die demokratische Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer Verfassungskrise. Die Regierung argumentiert dagegen, das Höchste Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus. Trotz Kritik und Demonstrationen im ganzen Land hat Israels rechte Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Nacht zum Dienstag im Parlament zwei Teile des umstrittenen Reformpakets in der ersten von drei Lesungen auf den Weg gebracht.

Israels Präsident Izchak Herzog rief nach einer Abstimmung über einen Teil der umstrittenen geplanten Justizreform die Regierung erneut zum Dialog auf. "Beweisen Sie nach dem gestrigen Tag, dass Sie die Großzügigkeit von Siegern haben, finden Sie einen Weg, um einen Dialog mit der Opposition zu führen", sagte Herzog am Dienstag. Es gebe "ein Gefühl der Trauer und nicht der Freude, weil sehr viele Bürger aus allen Teilen der israelischen Gesellschaft große Angst um die Einheit des Volkes haben".

Umstrittene Buschmann-Reise

Inmitten dieser internen Spannungen ist Justizminister Buschmann am Montag zu einem zweitägigen Besuch in Israel eingetroffen. Ursprünglich sollte er nur eine Wanderausstellung eröffnen, die sich mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Justizministeriums befasst. Nun standen jedoch auch heikle politische Gespräche auf dem Programm.

Am Tag seiner Ankunft fand er bereits mahnende Worte - ohne direkt die Pläne der israelischen Regierung anzusprechen. "Aus der Geschichte zu lernen bedeutet zu erkennen, dass man breite Mehrheiten suchen sollte, wenn man die Spielregeln des demokratischen Wettbewerbs und das Zusammenspiel der Verfassungsorgane verändern möchte", sagte Buschmann bei der Ausstellungseröffnung in Tel Aviv.

In Deutschland seien Änderungen des Grundgesetzes nur mit einer Stimmenmehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat möglich. "Das gelingt regelmäßig nur dann, wenn auch große Teile der Opposition von der Notwendigkeit der Änderung überzeugt sind."

Aufgrund der historischen Verantwortung für den Holocaust gibt sich Deutschland traditionell mit der Bewertung von israelischer Politik eher zurückhaltend. Die Reise Buschmanns gilt innerhalb der Regierung auch nicht als unumstritten. So soll Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sogar zunächst von Ministerreisen nach Israel abgeraten haben, da es noch keine klare gemeinsame Linie zum Umgang mit der neuen Regierung in Israel geben soll.

Kompromiss nicht in Aussicht

Buschmanns israelischer Amtskollege, Jariv Levin, steht im Zentrum der umstrittenen Pläne seiner Regierung. Seit Jahrzehnten plant er bereits den Umbau des Justizsystems. Er sei zwar zu Dialog bereit, aber gleichzeitig "entschlossen, die Reform zu verabschieden, und nichts wird mich davon abhalten", teilte er nach der Abstimmung in der Knesset mit.

Scharfe Kritik Buschmanns bleibt aus

Am Dienstagnachmittag fand ein Treffen von Levin und Buschmann statt. Buschmann äußerte nach dem Treffen mit seinem Amtskollegen: "Ich bin gekommen als Freund, der hören wollte, was die Argumente auf beiden Seiten sind". Er habe mit Levin ernsthaft über die umstrittenen Pläne der neuen rechts-religiösen Regierung gesprochen. "Und in aller Freundschaft muss ich sagen: Am Ende haben wir hier eine Differenz".

Levin steht im Zentrum der umstrittenen Pläne zur Schwächung der Justiz. Buschmann traf sich zudem mit Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara und der Präsidentin des Höchsten Gerichts, Esther Chajut. Der FDP-Politiker sagte, bei seinem Besuch sei deutlich geworden, dass eine "ernsthafte Debatte stattfindet, die viele Menschen sehr belastend, teils als sehr polarisierend empfinden". Er sei jedoch nicht gekommen, um sich "aufzuspielen als jemand, der in einem Streit entscheiden könnte".

dpa/ku/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Während Buschmanns Staatsbesuch: . In: Legal Tribune Online, 21.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51115 (abgerufen am: 07.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen