Druckversion
Freitag, 23.05.2025, 20:28 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/innenministerium-stralsund-buergerschaft-beschluss-rechtswidrig-kommunalpolitik-kompetenzbereich
Fenster schließen
Artikel drucken
50177

Innenministerium rügt Stralsund: Beschluss zu Frie­dens­ge­sprächen rechts­widrig

15.11.2022

Rathaus in Stralsund

In dem Stralsunder Rathaus sollten Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine stattfinden. Foto: R. Andreas Klein/stock.adobe.com

Stralsund hatte sich Großes vorgenommen: Im Rathaus sollte es Friedensgespräche zum Ukraine-Krieg geben. Doch der Beschluss wurde vom Innenministerium nun als rechtswidrig eingestuft. Ein LTO-Bericht hatte die Debatte angestoßen.

Anzeige

Der Beschluss der Stralsunder Bürgerschaft, das Rathaus der Hansestadt für Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland anzubieten, ist rechtswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt die Kommunalaufsicht des Ministeriums von Mecklenburg-Vorpommern.

Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) war im Oktober mit großer Mehrheit von der Bürgerschaft beauftragt worden, die Bundesregierung zu informieren, dass das Stralsunder Rathaus für sofortige Friedensgespräche zur Verfügung stehe. Zur Begründung hieß es im Beschluss der Bürgerschaft: "Es gibt nichts Wichtigeres als Frieden auf unserer Erde. Durch den Überfall Russlands auf die Ukraine haben die Menschen in unserem Land Angst vor einem 3. Weltkrieg. Dieser könnte sehr schnell zu einer nuklearen Katastrophe führen." Man wolle helfen, dass die Kriegsparteien endlich an den Verhandlungstisch kommen.

LTO-Bericht führte zur Prüfung

Die Diskussion über die Rechtmäßgkeit des Beschluss nahm durch einen Bericht von LTO Fahrt auf. Der Verwaltungsrechtler Dr. Patrick Heinemann kam darin zu dem Schluss, dass der Beschluss rechtswidrig sei. Denn der Kompetenzbereich von Gemeinden beschränke sich nach ständiger Rechtsprechung auf "Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben". Kommunale Volksvertretungen hätten kein allgemeinpolitisches Mandat. Das gelte besonders für Angelegenheiten, die nach der Kompetenzordnung des GG den Ländern oder dem Bund vorbehalten sind. So sei insbesondere die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten nach Art. 32 Abs. 1 GG die alleinige Sache des Bundes. Nach dem Bericht leitete die Rechtsaufsicht des Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern eine Prüfung ein.

In der nun abgeschlossenen Prüfung kam die Rechtsaufsicht ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Beschluss rechtswidrig sei. Die Hansestadt habe damit ihren verfassungsrechtlich zugewiesenen Kompetenzbereich überschritten, hieß es vom Ministerium am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Es bestehe kein Zweifel "an dem Charakter einer allgemeinpolitischen Erklärung auf dem Gebiet der Außenpolitik". Das gehe über die kommunale Selbstverwaltung hinaus, die sich auf "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind" beziehe. Der bloße Umstand, dass die Gemeindevertretung nur für die eigene Gemeinde spreche, genüge dem Anspruch spezifischer Ortsbezogenheit nicht.

Tradition der Streitschlichtung

Weil erstens die Wirkung des Beschlusses auf das Ansehen der Organe der Hansestadt beschränkt bleiben dürfte und zweitens die Erwartung besteht, dass sich die Stadt in ihrer Tätigkeit "künftig auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränken" wird, sieht die Kommunalaufsicht des Landes von weitergehenden rechtsaufsichtlichen Maßnahmen ab. 

Die Bürgerschaft hatte sich in dem Beschluss auf eine gewisse Tradition der Streitschlichtung berufen. So verwies sie auf den Stralsunder Frieden von 1370 und einen Besuch des damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme 1984. Damals sei es um die Schaffung eines atomwaffenfreien Sperrgürtels in Mitteleuropa gegangen. Im Jahr 1370 wurde in Stralsund ein Ausgleich zwischen dem dänischen König Waldemar IV. und den Städten der Hanse gefunden.

Diese Bezüge seien ein ungeeigneter Versuch, eine ortsspezifische Betroffenheit zu konstruieren, befand das Ministerium nun.

Die Hansestadt Stralsund ist in Sachen außenpolitischer Ambitionen von Kommunen kein Einzelfall. Am 20. Oktober beschloss die Stadtverordnetenversammlung von Königs-Wusterhausen, einen offenen Brief an die Bundesregierung zu richten, in dem sie insbesondere weniger militärische Unterstützung der Ukraine und ein Ende der Sanktionen gegen Russland fordert. Auch die für Königs-Wusterhausen zuständige Kommunalaufsichtsbehörde will den dortigen Beschluss auf seine Rechtmäßigkeit hin untersuchen. Angetrieben u.a. von Handwerkern beteiligen sich viele Kommunen an Protesten gegen die Ukrainepolitik der Regierung, wollen Außenpolitik gestalten. Auffallend ist, wie dabei russische Desinformation reproduziert wird.

pab/fz/dpa/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Innenministerium rügt Stralsund: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50177 (abgerufen am: 23.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Öffentliches Recht
    • Kommunalpolitik
    • Ukraine-Krieg
Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal, die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas und der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha bei einer Pressekonferenz beim Treffen der EU-Außenminister am 9.5.2025. 19.05.2025
Ukraine-Krieg

Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine:

Der euro­päi­sche Weg zum Son­der­tri­bunal

Schon lange wurde ein Sondergerichtshof für den Ukraine-Krieg gefordert. Jetzt hat der Europarat die Einrichtung beschlossen. Wie es jetzt weitergeht und wie das Tribunal ausgestaltet sein wird, erläutert Franziska Rinke.

Artikel lesen
Brust-OP 30.04.2025
Russland

EuGH zu EU-Sanktionen:

Bar­geld­verbot für Russ­land gilt auch für Brust-OPs

Bei Reisen nach Russland darf aufgrund der Sanktionen nur Bargeld in Höhe der Reise- und Aufenthaltskosten mitgeführt werden. Die Kosten einer medizinischen Behandlung sind davon nicht umfasst, so der EuGH.

Artikel lesen
Ein Vertrag wird mit einem Handschlag besiegelt (Symbolbild) 07.03.2025
Vertragsrecht

Landgericht Koblenz lehnt Vertragsanpassung ab:

Pacta sunt ser­vanda – und zwar auch in Kri­sen­zeiten

Corona-Pandemie und der Ukrainekrieg beeinflussen zwar die Weltwirtschaft, aber nicht einen Vertrag: Das LG Koblenz hat entschieden, dass der Käufer eines Grundstücks keine Vertragsanpassung wegen geopolitischer Krisen verlangen kann.

Artikel lesen
Illustration with Russian president Vladimir Putin (left) and President of the United States Donald Trump (right). 27.02.2025
Englische Texte

Trump's peace talks with Putin:

"Ger­many must not recog­nize a dic­tated peace in Ukraine"

Donald Trump promised to end the war in Ukraine but so far has only had talks with Vladimir Putin. International law expert Helmut Aust explains what they can negotiate without including Ukraine and how European countries should react.

Artikel lesen
Deutscher Bundestag 26.02.2025
Haushalt

Sondervermögen für Bundeswehr:

"Die alte Mehr­heit kann die neue Mehr­heit sogar gezielt umgehen"

Für Verteidigung werden dringend Milliarden benötigt. Und dafür eine Verfassungsänderung. Kann die noch schnell der alte Bundestag auf den Weg bringen, bevor es mit dem neu gewählten nicht mehr klappen wird?

Artikel lesen
Illustration mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (links) und US-Präsident Donald Trump (rechts). 24.02.2025
Ukraine-Krieg

Gespräche zwischen Trump und Putin:

"Deut­sch­land darf einen Dik­tat­frieden nicht aner­kennen"

Donald Trump meint, nur er könne den Krieg beenden. Er spricht zunächst aber nur mit Wladimir Putin. Was ohne die Ukraine vereinbart werden kann und wie sich europäische Staaten verhalten sollten, erklärt Völkerrechtler Helmut Aust.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Hengeler Mueller
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) im Be­reich Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht/...

Hengeler Mueller , Düs­sel­dorf

Logo von Stadt Kempten (Allgäu)
Sach­be­ar­bei­tung (m/w/d) Recht­s­an­ge­le­gen­hei­ten für das Bau­ver­wal­tungs- und...

Stadt Kempten (Allgäu) , Kemp­ten (All­gäu)

Logo von GvW Graf von Westphalen
As­so­cia­te (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches Bau­recht/Um­welt- und Pla­nungs­recht

GvW Graf von Westphalen , Ham­burg

Logo von Hengeler Mueller
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d) im Be­reich Öf­f­ent­li­ches...

Hengeler Mueller , Düs­sel­dorf

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Rechts­an­wäl­tin/Rechts­an­walt (m/w/d) Di­gi­ta­li­sie­rung und Öf­f­ent­li­ches...

REDEKER SELLNER DAHS , Ber­lin

Logo von Hengeler Mueller
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) im Be­reich Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht

Hengeler Mueller , Düs­sel­dorf

Logo von Hengeler Mueller
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) im Be­reich Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht/...

Hengeler Mueller , Ber­lin

Logo von LAFP NRW (Polizei)
Füh­rungs­kraft (m/w/d) in der Lauf­bahn­grup­pe 2.2

LAFP NRW (Polizei) , Düs­sel­dorf

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Moovijob Day Luxembourg in Trier

23.05.2025, Trier

Plötzlich doch selbständig? Wie aus einer Scheinselbständigkeit von Lehrkräften eine selbständige Tätigkeit werden kann

26.05.2025, Bonn

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fachanwaltslehrgang Erbrecht im Fernstudium/ online

23.05.2025

Konfliktvermeidung durch Vertragsgestaltung und Vertragsgestaltung zur Konfliktlösung

26.05.2025, Frankfurt am Main

Matchwinner Verfahrensrecht

26.05.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH