Auch bei einem möglicherweise vorsätzlichen Missbrauch von Bonuspunkten durch einen Mitarbeiter muss der Arbeitgeber diesem zunächst im Zuge einer Abmahnung Gelegenheit geben, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Das geht aus einer Entscheidung des Hessischen LAG vom August 2010 hervor, die am Donnerstag bekannt wurde.
Der seit knapp zwei Jahren in einem Tankstellenbetrieb beschäftigte Mitarbeiter hatte während einer Schicht in drei Fällen Umsätze von Kunden, die getankt und nicht an dem Punkteprogramm für den Benzinkauf teilgenommen hatten, in Höhe insgesamt ca. 230 Euro auf die Kundenkarte eines seiner Kollegen verbucht. Nachdem der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte er dem Mann fristlos.
Der Mitarbeiter hatte daraufhin Kündigungsschutzklage erhoben mit der Begründung, er habe aus Unkenntnis allenfalls einen Fehler gemacht; keinesfalls habe er sich wissentlich über ein Verbot hinwegsetzen wollen. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hatte der Klage stattgegeben.
Auch das Hessische Landesarbeitgericht (LAG) gab dem Mann Recht. Zwar sei das Verhalten des Mitarbeiters, Tankbeträge fremder Kunden auf der Kundenkarte eines Kollegen zu verbuchen als schwerwiegendes Fehlverhalten einzustufen. Würden Arbeitnehmer nicht in Anspruch genommenen Punkte für eigene Zwecke sammeln, werde die Absicht des Arbeitgebers, nämlich Kunden durch das Bonussystem an sich zu binden, unterlaufen. Dies habe der Mitarbeiter im konkreten Fall auch erkennen können und deshalb die Buchungen auf Karten seines Kollegen unterlassen müssen.
Gleichwohl hätte es einer Abmahnung bedurft: Zum einen habe der Arbeitgeber nicht konkret darlegen können, wann und unter welchen Umständen der vorgesetzte Stationsmanager auf die Konsequenzen eines missbräuchlichen Verhaltens im Umgang mit der Kundenkarte hingewiesen hatte. Das wäre für einen substantiierten Gegenvortrag des Klägers aber erforderlich gewesen. Zum anderen könne nicht pauschal angenommen werden, dass eine Abmahnung nicht erfolgversprechend und deshalb entbehrlich gewesen wäre. Der Arbeitgeber hätte dem Mitarbeiter noch Gelegenheit geben müssen, sein Verhalten entsprechend dem Verbot auszurichten (Urt. v. 04.08.2010, Az. 2 Sa 422/10).
Hessisches LAG: . In: Legal Tribune Online, 01.01.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2251 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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