Druckversion
Freitag, 13.06.2025, 10:00 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/hass-hetze-internet-ausweisung-erleichtern-terror-verherrlichung
Fenster schließen
Artikel drucken
54868

Bundeskabinett: Erleich­terte Aus­wei­sung nach Ter­r­or­ver­herr­li­chung geplant

26.06.2024

Like-Buttons in sozialen Medien

Ein Hasskommentar soll künftig im Einzelfall für eine erleichterte Ausweisung genügen. Foto: Urupong / stock.adobe.com

Ein Hasskommentar soll künftig reichen: Die Bundesregierung will ein härteres Vorgehen gegen Ausländer ermöglichen, die Terror gutheißen. Die Reform stehe auf wackeligen Beinen, findet ein Fachanwalt.

Anzeige

Die Ausländerbehörden der Länder sollen Menschen, die terroristische Taten gutheißen, künftig leichter ausweisen und damit im Einzelfall vielleicht auch eher abschieben können. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch nach Angaben aus Regierungskreisen einen entsprechenden Entwurf von Innenministerin Nancy Faeser (SPD). 

Demnach soll eine Ausweisung - also der Entzug einer Aufenthaltserlaubnis - schon nach Billigung einer einzelnen terroristischen Straftat ermöglicht werden. Als Verbreitung eines Inhalts im Sinne des Entwurfs soll dann nicht nur das Erstellen von entsprechenden Inhalten gelten, sondern etwa auch das Markieren eines Beitrags durch "Gefällt mir" in sozialen Netzwerken wie Youtube, Instagram oder Tiktok. 

Die Bundesregierung reagiert mit ihrem Vorhaben auf Hasspostings im Netz, etwa nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel oder nach dem tödlichen Messerangriff während einer islamkritischen Veranstaltung in Mannheim. Dabei tötete ein Afghane Ende Mai einen Polizisten. Der 25-jährige Täter war als Jugendlicher nach Deutschland gekommen. Eine Aufenthaltserlaubnis besaß er zuletzt, weil er zwei Kinder mit einer Frau hat, die deutsche Staatsbürgerin ist. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Gesetzesverschärfung nach der Attacke von Mannheim in einer Regierungserklärung angekündigt. Faeser sagte am Mittwoch: "Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor."

Um das Vorhaben möglichst rasch ins parlamentarische Verfahren zu bringen, soll der Entwurf als Änderungsantrag an einen Gesetzentwurf zur Stärkung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren angedockt werden, der inhaltlich nichts damit zu tun hat. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall, wies darauf hin, dass gegen Ausweisungen grundsätzlich vor den Verwaltungsgerichten geklagt werden könne.

Fachanwalt für Migrationsrecht findet das Vorhaben fragwürdig 

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), Thomas Oberhäuser, hält den nun vom Kabinett beschlossenen Entwurf für nicht zielführend. "Man muss schon sehr viel juristische Fantasie entwickeln, um das Setzen eines "Likes" als Verbreitung zu definieren", sagte der Rechtsanwalt. Auch sei für Laien oftmals nicht immer gleich auf Anhieb zu erkennen, ob es sich im Einzelfall um einen terroristischen Inhalt handelt oder nicht. Das habe zuletzt beispielsweise der Fall der Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, gezeigt. 

Rauch steht in der Kritik, weil sie einen antisemitischen Post auf der Plattform X im Kontext des Gaza-Kriegs mit einem "Gefällt mir" markiert hatte. Dabei ging es um einen Beitrag mit Fotos von Demonstranten, die ein Bild des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit aufgemaltem Hakenkreuz hochhalten. Rauch entschuldigte sich und erklärte, sie habe den Beitrag wegen seines Textes gelikt und das darunter gepostete Bild nicht genauer betrachtet. 

Ein schwerwiegendes Interesse des deutschen Staates an einer Ausweisung soll laut Faesers Entwurf künftig auch angenommen werden, wenn jemand bestimmte Straftaten in einer Art und Weise billigt und belohnt, die den öffentlichen Frieden stören könnte. In diesem Fall müsste eine strafgerichtliche Verurteilung vor einer Ausweisung nicht erst abgewartet werden. 

Linken-Politikerin sieht autoritäre Tendenzen

"Dass Innenministerin Faeser nun offenbar plant, Menschen wegen eines Postings in den sozialen Medien auszuweisen", sei der vorläufige Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung, sagt die rechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger. Wenn es um autoritär regierte Staaten wie die Türkei oder Russland gehe, empörten sich deutsche Politiker zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines "Likes" in den sozialen Medien verfolgt oder gar inhaftiert werden könnten - "allerdings bewegt sich die Bundesrepublik längst selbst in diese Richtung". 

Habeck: Islamismus gehört nicht zu Deutschland

Positiv beurteilt dagegen Vizekanzler Robert Habeck das Vorhaben. "Es ist eine große Errungenschaft und Stärke unseres Landes, dass verfolgte Menschen in Deutschland Schutz finden können." Wer aber die liberale Grundordnung verhöhne, indem er Terrorismus bejubele und Morde feiere, habe sein Bleiberecht verwirkt. Deshalb werde jetzt das Aufenthaltsrecht entsprechend geändert. "Der Islam gehört zu Deutschland, der Islamismus nicht", fügte Habeck hinzu.

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), hätte sich eine weiterreichende Reform gewünscht. Sie sagte: "Angesichts von massenhaftem Antisemitismus und Kalifats-Demos auf deutschen Straßen muss jede antisemitische und antidemokratische Straftat regelmäßig zu einer Ausweisung führen."

Rechtsanwalt Oberhäuser sagte, es sei "völlig wahnsinnig" zu glauben, dass die Ausländerbehörden künftig im großen Stil nach "Gefällt mir"-Posts in sozialen Medien schauen könnten. Besser wäre es, wenn jemand einmal eine Terrortat im Netz bejubelt, dies zum Anlass für ein Gespräch eines Vertreters der Sicherheitsbehörden mit dem Ausländer zu nehmen, "um festzustellen, ob er gefährlich ist". 

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, begrüßte den Kabinettsbeschluss, den er als klares Signal an Terrorsympathisanten bezeichnete. Er sagte, die Polizei und alle weiteren Behörden müssten aber auch so ausgestattet werden, dass ein spürbarer Verfolgungsdruck aufgebaut werden könne. 

Zu prüfen sei im Einzelfall auch eine persönliche Betroffenheit, sagte Oberhäuser, etwa wenn ein Palästinenser aufgrund der israelischen Militäroperation im Gazastreifen Angst um seine dort lebenden Kinder beziehungsweise Angehörige durch den Krieg verloren habe. Selbst wenn aus Gründen der Gefahrenabwehr eine Ausweisung angeordnet werde, müsse vor einer möglichen Abschiebung geprüft werden, ob womöglich Gründe für eine Duldung existieren.

dpa/ms/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Bundeskabinett: . In: Legal Tribune Online, 26.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54868 (abgerufen am: 13.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Ausweisung
    • Hass-Posts
    • Internet
Low angle view of young businesswoman sitting at her workplace and working 20.05.2025
Anwaltsblatt

Wichtige Gesetzesänderung:

Neue Bar­rie­re­f­rei­heitspf­lichten für Kanzlei-Web­sites

Ende Juni tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft. Davon betroffen sind alle Kanzleien, die bestimmte digitale Angebote auf ihrer Website bereitstellen – und das sind viele. Für sie besteht Handlungsbedarf.

Artikel lesen
Demonstration für Demokratie 23.04.2025
Meinungsfreiheit

Die verletzliche Gesellschaft und das Strafrecht:

"Zugriffe auf die Mei­nungs­f­rei­heit erleben Kon­junktur"

Das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht wurde in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich ausgeweitet. Auch die neue Koalition aus Union und SPD will diesen Trend fortsetzen. Eine problematische Entwicklung, findet Frauke Rostalski.

Artikel lesen
Fahnen von Berlin, Deutschland und der EU in einem Büro des LEA 11.04.2025
Abschiebung

Irischer Palästina-Aktivist im Eilverfahren erfolgreich:

Ver­wal­tungs­ge­richt Berlin stoppt dro­hende Abschie­bung vor­erst

Berlin will vier propalästinensische Aktivisten wegen Gewaltbereitschaft ausweisen, ohne dass es eine strafrechtliche Verurteilung gibt. Die brauche es nicht, entschied nun das VG Berlin, stoppte eine drohende Abschiebung aber trotzdem.

Artikel lesen
David Bendels 08.04.2025
Meinungsfreiheit

AG Bamberg bejaht "Politikerbeleidung":

"Deut­sch­land Kurier"-Che­f­re­dak­teur zu Bewäh­rungs­strafe ver­ur­teilt

Auf dem X-Kanal eines rechten Online-Portals erscheint ein Bild von Nancy Faeser - darauf ist ein entscheidendes Detail verändert. Nun gibt es ein Urteil, doch das letzte Wort ist wohl noch nicht gesprochen.

Artikel lesen
46. Strafverteidigertag in Bochum 02.04.2025
Strafverteidiger

46. Strafverteidigertag:

Wie bru­ta­lis­tisch han­delt Schwarz-Rot im Straf­recht?

Keine evidenzbasierte Kriminalpolitik, das Abschleifen rechtsstaatlicher Verfahren und der Abbau von Beschuldigtenrechten: Auf ihrer Jahrestagung in Bochum stellt sich die Strafverteidigerzunft auf ein autoritäres Deutschland ein.

Artikel lesen
CBS 60 Minutes zur Meinungsfreiheit in Deutschland 26.02.2025
Hass-Posts

Eine Frage an Thomas Fischer:

Wie naiv war der deut­sche Justiz-Aufritt in US-Doku?

Zur Lage der Meinungsfreiheit in Deutschland hat der US-Sender CBS eine Doku ausgestrahlt - ein tendenziöses und desinformatives Machwerk, meint Thomas Fischer. Aber auch die interviewten Staatsanwälte haben sich übertölpeln lassen.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Gleiss Lutz
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) Bank- und Fi­nanz­recht

Gleiss Lutz , Mün­chen

Logo von Hogan Lovells International LLP
Re­fe­ren­da­rin/Re­fe­ren­dar (w/m/d) Li­ti­ga­ti­on

Hogan Lovells International LLP , Mün­chen

Logo von Simmons & Simmons
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter für den Be­reich Em­p­loy­ment in Frank­furt...

Simmons & Simmons , Frank­furt am Main

Logo von Hengeler Mueller
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) im Be­reich Struc­tu­red Fi­nan­ce

Hengeler Mueller , Lon­don

Logo von VirchowBund
Ver­bands­ju­rist / Ver­bands­ju­ris­tin (m/w/d)

VirchowBund , Ber­lin

Logo von ADVANT Beiten
Re­fe­ren­da­re / wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (w/m/d) - Pu­b­lic Sec­tor

ADVANT Beiten , Mün­chen

Logo von A&O Shearman
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) im Be­reich Cor­po­ra­te/M&A

A&O Shearman , Düs­sel­dorf

Logo von Hogan Lovells International LLP
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ten­de (w/m/d) Li­ti­ga­ti­on

Hogan Lovells International LLP , Mün­chen

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fortbildung Sportrecht im Selbststudium/ online

13.06.2025

Betriebsverfassungsrechtliches Kolloquium II

16.06.2025, Bonn

Bankrechtstag 2025 in Frankfurt am Main – Hybrides Format: Teilnahme vor Ort und Online –

27.06.2025, Frankfurt am Main

Green Legal Lab 2025

29.08.2025, Berlin

DRK-Sommerschule im Humanitären Völkerrecht

25.08.2025, Strausberg

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH