Unschuldig im Gefängnis: DAV for­dert höhere Haf­t­ent­schä­d­i­gung

29.01.2018

25 Euro beträgt derzeit der bundesweit einheitliche Tagessatz für eine Haftentschädigung. Viel zu wenig, meint der DAV und fordert eine Vervierfachung für zu Unrecht Inhaftierte. 

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) beharrt auf seiner Forderung nach einer vierfach höheren Entschädigung für Menschen, die zu Unrecht im Gefängnis saßen. "Die Justiz in Deutschland muss ihre Opfer endlich angemessen entschädigen", forderte DAV-Präsident Ulrich Schellenberg. "Wenn der Staat einen Menschen zu Unrecht seiner Freiheit beraubt, sollte das mit 100 Euro pro Tag entschädigt werden."

Bundesweit gilt derzeit ein einheitlicher Tagessatz  von 25 Euro. Entschädigungspflichtig ist nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) das Land, an dessen Gericht das Verfahren geführt wurde. Bei ihrer Herbstkonferenz im November hatten die Justizminister der Länder die Bundesregierung einstimmig aufgefordert, einen Gesetzentwurf für eine höhere Entschädigung vorzulegen.

Anspruch auf Haftentschädigung haben etwa Menschen, die in U-Haft saßen und deren Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde oder mit einem Freispruch endete. Deutlich seltener sind Haftentschädigungen nach der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe.

Haftentschädigungszahlungen gehen in die Millionen

Bundesweite Zahlen zu dem Thema gibt es nicht. Am Donnerstag waren Haftentschädigungen Thema im niedersächsischen Landtag. Im vergangenen Jahr hatte Niedersachsen 54 Menschen Entschädigungen gezahlt. Nach Angaben des Justizministeriums in Hannover erhielten sie bis Anfang Dezember insgesamt rund 240.000 Euro. Zusätzlich bekamen Betroffene Geld für Verdienstausfall und Anwaltskosten. Zwischen 2015 und 2017 hatten in Niedersachsen insgesamt 166 Menschen Anspruch auf Entschädigung.

In Baden-Württemberg seien im vergangenen Jahr schätzungsweise 200.000 Euro Haftentschädigung gezahlt worden, sagte Robin Schray, Sprecher des Justizministeriums in Stuttgart. Der Wert sei in Baden-Württemberg seit einigen Jahren etwa gleich.

Aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen liegen keine Zahlen vor, weil diese dort nicht zentral erfasst werden, wie es aus Düsseldorf hieß. In Hessen wurden im Jahr 2017 in 74 Fällen Haftentschädigungen von insgesamt 228.474 Euro gezahlt.

Justizopferhelfer für zu Unrecht Inhaftierte?

Im Stadtstaat Berlin saßen im vergangenen Jahr 77 Menschen genau 7.641 Tage zu Unrecht im Gefängnis, wie die Justizverwaltung mitteilte. Die Betroffenen waren vorwiegend in Untersuchungshaft gekommen, bevor sich ihre Unschuld herausstellte. Als Entschädigung wurden aus der Justizkasse 191.025 Euro gezahlt. In Hamburg flossen insgesamt 152.920 Euro an 87 Antragsteller.

"Die Justizopfer benötigen aber mehr als nur Geld", betonte DAV-Präsident Schellenberg. Daher forderte der Anwaltverein einen Helfer für Justizopfer - ähnlich wie ein Bewährungshelfer, den jeder Straftäter, der vorzeitig aus der Haft entlassen wird, an seine Seite bekomme. "Unschuldig Inhaftierte werden hingegen nicht unterstützt", beschrieb Schellenberg die derzeitige Situation.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) erklärte, er begrüße zwar eine Erhöhung der Haftentschädigung. "Aber wenn wir darüber sprechen, wie wir die behandeln, die zu Unrecht in Haft gekommen sind, sollten wir auch gleich über die Fälle sprechen, bei denen jemand zu Unrecht freigekommen ist. Denn die Regeln zur Wiederaufnahme von Strafverfahren müssen wir dringend reformieren."

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Unschuldig im Gefängnis: . In: Legal Tribune Online, 29.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26757 (abgerufen am: 05.12.2024 )

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