In modernen Kinderzimmern werden Puppen mit dem Smartphone gekoppelt und dienen als Gesprächspartner. Ein Gutachten kommt nun zu dem Ergebnis, dass das hochtechnische Spielzeug eine illegale Sendeanlage ist und verboten werden müsste.
"Fantastisch, was sie alles weiß" – Damit wirbt die Internetseite von "My friend Cayla" für die gleichnamige vernetzte Puppe. Über ein mit Bluetooth gekoppeltes Smartphone, auf dem eine zugehörige App läuft, ist "Cayla" mit dem weltweiten Netz verbunden. Gesprächspartner können ihr Fragen stellen und mit ihr reden. Dank bluetoothfähigem Mikrofon und Lautsprecher antwortet die Puppe mit Informationen aus dem Internet. Der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandes zeichnete sie 2014 als "Top 10 Spielzeug des Jahres" aus. Bei Verbraucherschützern ist "My friend Cayla" wegen Sicherheitslücken und Datenschutzfragen schon seit längerem umstritten.
Nicht so fantastisch ist aber, was andere mit Hilfe der Puppe wissen können. Mit einem Rechtsgutachten hat Stefan Hessel, studentischer Mitarbeiter des IT- Sicherheitsexperten Professor Christoph Sorge darauf hingewiesen, dass "Cayla" eine nach § 90 Telekommunikationsgesetz (TKG) verbotene Sendeanlage sein könnte. Damit wären Besitz, Herstellung, Vertrieb und Einführung der Puppe per Gesetz in Deutschland verboten.
Die Puppe eigne sich nämlich zum heimlichen Abhören von Gesprächen, wie aus dem Gutachten hervorgeht, das in der Fachzeitschrift JurPC veröffentlicht wurde. "Jedes bluetoothfähige Gerät in Reichweite von etwa zehn Metern kann eine Verbindung zu ihr aufbauen und Lautsprecher und Mikrofon nutzen. In einem Versuch hatte ich auch über mehrere Wände hindurch auf die Puppe Zugriff. Es fehlt an eingebauten Sicherungen", erklärt Hessel. Die Puppe könne gezielt eingesetzt werden, um jemanden auszuspionieren oder sich mithilfe des Mikrofons selbst aktiv ins Gespräch einzuschalten.
Bundesnetzagentur hält Puppe ebenfalls für Sendeanlage
Nach § 90 TKG sind Geräte verboten, die ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder wie Gegenstände des täglichen Gebrauchs aussehen, aber zur Bild- oder Audioüberwachung geeignet und bestimmt sind. Ausgenommen von dem Verbot sind Geräte, die zwar zum Abhören missbraucht werden können, bei denen die Gefahr aber bekannt ist, wie z.B. Mobiltelefone. Im Fall von "Cayla" sei die Gefahr, abgehört zu werden, aber nicht erkennbar.
Die Technik verbirgt die Puppe in ihrem Innern, Kleider verdecken den Lautsprecher. "Die Puppe vermittelt für sich genommen den Eindruck, dass es sich um ein gewöhnliches Kinderspielzeug ohne technische Funktion handelt", sagt Hessel. Um zu signalisieren, dass mitgehört wird, soll die Halskette der Puppe leuchten. "Zum einen funktioniert dieses Signal nach Herstellerangabe bei einigen Android-Geräten nicht, so dass die Halskette trotz eingeschaltetem Mikrofon nicht leuchtet. Zum anderen kann das Leuchten mittels der App ausgeschaltet werden". Außerdem habe das Leuchtsignal nur für eingeweihte Personen eine Warnfunktion. "Nur weil eine Kette an einer Puppe leuchtet, rechnet man nicht mit einem eingeschalteten Mikrofon", so der Student.
Mit seinem Gutachten wandte sich Hessel an die zuständige Bundesnetzagentur. "Von dort bekam ich Rückmeldung, dass man meine Auffassung teilt, und die Puppe verboten ist." Hessel spezialisierte sich schon früh auf den Studienschwerpunkt "IT-Recht und Rechtsinformatik" und absolvierte auf diesem Gebiet bereits einen Teil des juristischen Staatsexamens.
acr/LTO-Redaktion
Jura-Student legt Gutachten vor: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22094 (abgerufen am: 16.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag