Die britische Regierung hat ihre Vorstellungen von der justiziellen Zusammenarbeit mit der EU nach dem Brexit präsentiert. Dem EuGH will man sich nicht mehr unterwerfen, ganz ignorieren will man ihn aber auch nicht.
Der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) zieht weiterhin einen Rattenschwanz juristischer Probleme nach sich. Viele davon drehen sich um die Frage, wie und auf welcher Grundlage künftig internationale Rechtsstreitigkeiten mit britischem Bezug ausgetragen werden.
Am Dienstag nun gab die britische Regierung bekannt, man strebe künftig eine "tiefe und umfassende" Zusammenarbeit mit der EU bei grenzüberschreitenden Zivilprozessen an. Innerhalb der Union bestehen hierfür feste Regeln. Dies entfällt aber für das Vereinigte Königreich, wenn es sich im März 2019 von der Staatengemeinschaft trennt. Neue Regelungen, die sich stark an der bisherigen Praxis orientieren, sollen Privatpersonen und Geschäftsleuten auch künftig Sicherheit geben, teilte das Brexit-Ministerium am Dienstag in London mit.
Mehr Menschen als je zuvor "leben ihr Leben jenseits der Grenze", sagte der britische Justizminister David Lidington dem Sender BBC. Mit neuen Regelungen müsse auch in Zukunft Bürokratie vermieden werden, etwa "wenn sich eine deutsche Frau von einem Briten scheiden lässt". Für länderübergreifende Sorgerechtsstreits um Kinder und bei Verbraucherklagen nach Online-Bestellungen im Ausland seien klare Zuständigkeiten ebenfalls notwendig, erläuterte der Minister.
Tür für EuGH-Urteile bleibt offen
Auch von ihrer nach dem Brexit zum Ausdruck gebrachten harten Haltung zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) scheint die britische Regierung etwas abzurücken. In einem am Mittwoch in London veröffentlichten Positionspapier heißt es, die Bindungswirkung der EuGH-Rechtsprechung in Großbritannien solle mit dem EU-Austritt enden. Die Regierung schloss allerdings nicht aus, dass Urteile des Gerichts auch künftig als Richtschnur für juristische Auseinandersetzungen mit Auswirkungen auf das Vereinigte Königreich herangezogen werden. Für ein künftiges Abkommen mit der EU will London, dass je nach Streitfall unterschiedliche Gremien entscheiden.
Forderungen aus Brüssel, dass EU-Bürger in Großbritannien weiterhin ihre Rechte vor dem Gerichtshof in Luxemburg einklagen können, erteilte London eine Absage. Stattdessen sollten nationale Gerichte zuständig sein. Um Konflikte zwischen der EU und Großbritannien zu lösen, könnten Gremien auf diplomatischer oder politischer Ebene berufen werden, wie aus dem Papier hervorgeht. Eine andere Möglichkeit seien Schiedsgerichte. London verwies auf entsprechende Vereinbarungen in Freihandelsabkommen zwischen der EU und Drittstaaten wie Kanada oder Vietnam.
Konservative britische Medien warfen Premierministerin Theresa May Wortbruch vor. May hatte es zu einem der wichtigsten Ziele erklärt, der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Großbritannien ein Ende zu bereiten.
Am vergangenen Montag hatte das Brexit-Ministerium zudem ein Positionspapier zum künftigen Handel mit der EU vorgestellt. Alle derzeit in der Staatengemeinschaft erhältlichen britischen Waren sollen nach dem Willen Londons auch nach dem Brexit auf dem EU-Markt zu kaufen sein. Umgekehrt soll das genauso gelten. Dienstleistungen, die mit dem Handel von Waren verknüpft seien, dürften ebenfalls keinen Einschränkungen unterliegen, hieß es weiter.
dpa/mam/LTO-Redaktion
Justizielle Zusammenarbeit nach dem Brexit: . In: Legal Tribune Online, 23.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24099 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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