Ein Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah ist festgenommen worden. Er soll Informationen aus dem Europäischen Parlament an China weitergegeben haben. Rufe nach Konsequenzen auch für Krah werden laut.
Der Generalbundesanwalt (GBA) hat am Montag neben den drei bereits bekanntgewordenen Personen noch einen weiteren Mann wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Agententätigkeit für China festnehmen lassen. Einen Zusammenhang zwischen den Festnahmen scheint es aber nicht zu geben. Bei dem Mann handelt es sich offenbar um einen Mitarbeiter von Maximilian Krah, Mitglied im Europäischen Parlament für die AfD und aktueller Spitzenkandidat für die anstehende Europawahl Anfang Juni. Das Europäische Parlament hat den Mann in seiner Funktion als akkreditierten Assistenten (APA) bereits suspendiert. Entscheidend für die Festnahme waren offenbar Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV).
Aus Sicht des GBA stellt sich der Sachverhalt so dar, dass Jian G. seit 2019 für den AfD-Spitzenkandidaten Krah im Europäischen Parlament arbeitet und seit Anfang 2024 in dieser Funktion offenbar wiederholt Informationen über entsprechende Verhandlungen und Entscheidungen an seine nachrichtendienstlichen Auftraggeber aus China gab. Ferner soll er in Deutschland auch chinesische Oppositionelle ausgespäht und entsprechende Informationen an einen chinesischen Geheimdienst weitergegeben haben.
Insoweit wird ihm Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt (§ 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Strafgesetzbuch, StGB). "Sollte sich der Vorwurf bestätigen, trifft er das Herz unserer Demokratie. Abgeordnete und ihre Mitarbeiter stehen in besonderer Weise im Dienst unserer Demokratie - hier stehen Vorwürfe im Raum, die dem diametral entgegenlaufen. Das können wir nicht dulden, hier müssen harte Konsequenzen folgen, wenn sich der Verdacht bestätigt", so Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Dienstag. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Vorwürfe als "äußerst schwerwiegend" und richtete sich dabei auch an Maximilian Krah: "Wer einen solchen Mitarbeiter beschäftigt, trägt dafür auch Verantwortung".
§ 99 StGB schützt vor Ausspähung jeglicher Art
Sinn und Zweck von § 99 StGB als zentraler Spionagetatbestand ist der Schutz vor Ausspähung jeglicher Art. Die Bundesrepublik soll so davor geschützt werden, dass andere sich ein umfassendes und präzises Bild über die hiesigen Verhältnisse machen können.
Beim Vorwurf der Ausspähung der chinesischen Oppositionellen ist mit der einschlägigen BGH-Rechtsprechung zu beachten, dass der Tatbestand nicht ohne weiteres erfüllt ist, soweit es sich bei ihnen um ausländische Staatsangehörige handelt. Nicht hinreichend ist insoweit lediglich der örtliche Bezug zu Deutschland oder das Agieren chinesischer Nachrichtendienste ohne deutsche Abdeckung. Jedoch wird der Tatbestand regelmäßig erfüllt sein, wenn über die Agententätigkeit hinaus auch ein Straftatbestand erfüllt ist, was nun noch zu prüfen sein wird.
Es ist auch denkbar, dass das Verhalten von Krah selbst noch zum Gegenstand der Ermittlungen wird. Denn für § 99 Abs. 1 StGB ist ausreichend, dass in irgendeiner Art an der Ausspähungs- und Mitteilungstätigkeit mitgewirkt wurde. Das müsste man jedoch nachweisen. Dabei ist zu beachten, dass Krah jedenfalls noch nach dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Immunität genießt. Diese müsste für ein Ermittlungsverfahren erst einmal aufgehoben werden.
AfD-Mann Krah gilt als bekennender China-Freund
Auch Krah selbst, der nach Erkenntnissen des BfV zu den wichtigsten Akteuren der Neuen Rechten gehört, steht wegen seiner Nähe zum chinesischen Regime immer wieder in der Kritik. Krah, der auch dem russischen Regime offen gegenüber steht und deshalb bereits vom FBI befragt wurde, soll offenbar auch nach China äußerst enge Kontakte pflegen. Sein nun festgenommener Mitarbeiter Jian G. hatte laut Informationen der BILD den Lobbyverein "Neue Seidenstraße e.V." mitgegründet. Gleichwohl beteuert Krah gegenüber BILD, sein Mitarbeiter habe nur Kontakte zu offiziellen chinesischen Stellen in der Botschaft gepflegt.
Krah äußerte sich auf X zu den Vorwürfen gegen seinen Mitarbeiter: Von der Festnahme habe er aus der Presse erfahren, weitere Informationen lägen ihm nicht vor. "Die Spionagetätigkeit für einen fremden Staat ist eine schwerwiegende Anschuldigung. Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen", schrieb Krah.
Politiker fordern Krah-Rücktritt
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer reagierte empört. "Wer spioniert, wer sich bestechen lässt, schadet Deutschland, verrät die Menschen und unser Land", erklärte der CDU-Politiker im sächsischen Schmilka. Scharfe Kritik kam auch von anderen Politikern, die teils Krahs Rückzug forderten. CDU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei sagte der Rheinischen Post: "Es ist absolut indiskutabel, einen Spitzenkandidaten zu haben, der sich mit derartigen Vorwürfen auseinanderzusetzen hat." Die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisierte auch den AfD-Europakandidaten Petr Bystron, der sich Vorwürfen erwehrt, möglicherweise Geld für prorussische Propaganda bekommen zu haben: "Beide müssten nach menschlichem Ermessen ihre Kandidatur niederlegen, statt unserem Land weiter zu schaden", sagte sie dem Berliner Tagesspiegel.
Grünen-Chef Omid Nouripour sieht in der AfD eine Gefahr für die nationale Sicherheit. "Es braucht dringend Aufklärung über die undurchsichtigen Beziehungen ihres Spitzenkandidaten Krah zu Vertretern Russlands und Chinas", schrieb er bei X. Der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der Rheinischen Post, die AfD versinke im Chaos von Vorwürfen des Geheimnisverrats und kriminellen Machenschaften.
Der Chef der Brandenburger CDU, Jan Redmann, hat aufgrund des Vorfalls gefordert, die Zugangsbarrieren für sensible Daten für Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten nachzuschärfen. Die AfD lehne das Deutschland, das durch das Grundgesetz geschützt sei, so tief ab, dass sie nicht davor zurückschrecke, gemeinsame Sache mit den Feinden des Landes zu machen, sagte Redmann am Dienstag. Es sei deshalb die Aufgabe des nächsten Landtages - im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte - Maßnahmen einzuziehen, die dazu führten, dass "Mitarbeitern, deren Zuverlässigkeit im Hinblick auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht gewährleistet erscheint, der Zugang zu sensiblen Informationen verwehrt wird".
jb/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa
Nächste Festnahme wegen Agententätigkeit für China: . In: Legal Tribune Online, 23.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54393 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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