Trumps Pläne einer "Riviera des Nahen Ostens": "Kriegs­ver­b­re­chen und Ver­b­re­chen gegen die Men­sch­lich­keit"

05.02.2025

Donald Trump will den Gazastreifen übernehmen und wirtschaftlich nutzen und dafür die Bevölkerung zwangsumsiedeln. Das verstößt gegen das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser – und stellt eine rechtswidrige Vertreibung dar.

Donald Trump schockt mit einem neuen Vorstoß. "Die USA werden den Gazastreifen übernehmen", sagte Trump nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu im Weißen Haus in Washington. Der US-Präsident will, dass die Vereinigten Staaten die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen und das vom Krieg zerstörte palästinensische Küstengebiet wirtschaftlich entwickeln.

Auf die Frage, ob er US-Truppen in den Küstenstreifen entsenden würde, sagte Trump: "Wenn es notwendig ist, werden wir das tun." Er rechne mit einem langfristigen Engagement der USA in der Region, sagte der Republikaner weiter.

Außerdem will Trump, wie schon vor Wochen erstmals angekündigt, eine dauerhafte "Umsiedlung" der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens bewirken. Die rund zwei Millionen Palästinenser:innen sollen nach Trumps Willen künftig in anderen arabischen Staaten der Region leben. Trumps Pläne stießen in den USA und auch international umgehend auf scharfe Kritik. "Gaza gehört – ebenso wie die Westbank und Ostjerusalem – den Palästinenserinnen und Palästinensern", so etwa Außenministerin Annalena Baerbock. Eine Vertreibung nannte sie "inakzeptabel und völkerrechtswidrig".

Trump will eine "Riviera des Nahen Ostens"

Der Gazastreifen ist ein 365 Quadratkilometer großes Gebiet am Mittelmeer zwischen Israel und Ägypten. Das abgeriegelte Küstengebiet, in dem schon vorher äußerst schwierige Lebensbedingungen für die Zivilbevölkerung herrschten, wurde im Krieg zwischen Israel und der Hamas zu einem Trümmerfeld. Nach UN-Angaben wurden dort während des Krieges rund zwei Drittel aller Gebäude zerstört oder beschädigt. 90 Prozent der rund 2,1 Millionen Menschen im Gazastreifen wurden zu Binnenflüchtlingen. Nach palästinensischen Angaben, die von den Vereinten Nationen als glaubhaft eingestuft werden, wurden mehr als 47.000 Menschen getötet. Nach einem UN-Report von Januar gibt es allein 50 Millionen Tonnen Trümmer.

Der ehemalige Immobilienunternehmer Trump sagt nun, dass ausgerechnet dieses Gebiet immenses Potential für Wirtschafts- und Immobilienentwicklung habe. Unter der Führung der USA könne der Gazastreifen eine "Riviera des Nahen Ostens" werden, schwärmte er. Die Palästinenser als rechtmäßige Bewohner sollen davon allerdings nicht profitieren. Sie sollen nach Trumps Plänen nicht zurückkehren; für sie sei Gaza die "Hölle". Sie sollen woanders ein "wunderbares Leben" führen.

Wer stattdessen im Gazastreifen leben soll, ließ der US-Präsident offen. Unklar ist auch, welchen Status das Gebiet nach Trumps Plänen in der Zukunft haben soll. Eine völkerrechtskonforme Umsetzung des Vorhabens ist jedenfalls nicht vorstellbar. 

Völkerrechtler: "Nur das palästinensische Volk kann über den Gazastreifen verfügen"

"Eine Annexion des Gazastreifens – durch welchen Staat auch immer – verstößt gegen Völkerrecht", betont Prof. Dr. Matthias Goldmann, Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Recht an der EBS Universität Wiesbaden, gegenüber LTO

Insbesondere sind das Gewaltverbot aus Art. 2 Nr. 4 der UN-Charta sowie das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser betroffen. "Das Selbstbestimmungsrecht Palästinas ist international anerkannt. Auch die USA und Deutschland haben entsprechende Resolutionen in der Generalversammlung unterstützt. Daher kann nur das palästinensische Volk über den Gazastreifen verfügen", so Goldmann.

In einem Gutachten aus dem vergangenen Juli hatte der Internationale Gerichtshof (IGH) ausdrücklich festgestellt, dass die israelische Besetzung u.a. des Gazastreifens rechtswidrig ist und Israel sich "so schnell wie möglich" zurückziehen muss.

"Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit"

Auch die zwangsweise Umsiedlung der Bevölkerung des Gazastreifens ist mit internationalem Recht nicht vereinbar. "Die Vertreibung der Bevölkerung in der angedeuteten Weise würde ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein Kriegsverbrechen darstellen", so Goldmann gegenüber LTO.

In Betracht kommt insbesondere die Vertreibung, die ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 7 Abs. 1 lit. d des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes (Rom-Statut) sowie ein Kriegsverbrechen nach Art. 8 Abs. 2 lit. a) vii) Rom-Statut darstellt. Erforderlich ist hierfür die erzwungene, völkerrechtlich unzulässige Verbringung der betroffenen Personen durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen aus dem Gebiet, in dem sie sich rechtmäßig aufhalten.

"Zwangsumsiedlung und Gebietsraub haben die dunkelsten Kapitel der Geschichte geschrieben – heute sind sie völkerrechtlich verboten, auch im Gazastreifen", so auch Dr. Alexander Schwarz, Co-Leiter des Programmbereichs Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung beim ECCHR, auf X. Trumps Vorschlag, den Gazastreifen zu übernehmen, sei "Völkerrechtsbruch in Reinform".

"So etwas nennt sich auch ethnische Säuberung"

Die Idee einer Zwangsumsiedlung der Palästinenser:innen sorgte bereits vor der Pressekonferenz für viel Empörung. Jordanien und Ägypten lehnten den Vorstoß ab, weil sie ihn als Ende der langen Bemühungen um einen Palästinenserstaat betrachten. Vor allem aber die Menschen im Gazastreifen reagierten mit deutlichen Worten.

Abu Mahmoud, ein Einwohner Gazas, sagte, wenn Trump glaube, dass die Palästinenser:innen ihr Land verließen, dann habe er Wahnvorstellungen. "Sie müssen uns erst umbringen", sagte er, "weder unsere Füße noch unsere Herzen werden Gaza verlassen, selbst wir darin getötet werden".

Auch im Lager der Republikaner wird Trumps Vorschlag kontrovers diskutiert. Während Trumps Außenminister Marco Rubio die Vorschläge unterstützt, nannte der republikanische Senator Lindsey Graham sie "problematisch". 

Heftige Kritik hagelte es aus dem Lager der Demokraten. Der demokratische Senator Chris Van Hollen wertete das Vorhaben Trumps als Ankündigung eines schweren Völkerrechtsbruchs. "Er hat gerade gesagt, dass es die Politik der Vereinigten Staaten sein wird, zwei Millionen Palästinenser gewaltsam aus dem Gazastreifen zu vertreiben – so etwas nennt sich auch ethnische Säuberung", sagte Van Hollen dem US-Sender MSNBC.

Ägypten und Jordanien lehnen Pläne ab

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagte nach Angaben seines Büros, man werde nach Jahrzehnten des Kampfes und der Opfer die Rechte des palästinensischen Volkes nicht aufgeben. Der Gazastreifen sei "ein integraler Teil des Landes des Staates Palästina, einschließlich des Westjordanlands und Ost-Jerusalems, die seit 1967 besetzt sind".

Auf eine Zweistaatenlösung pochte Hussein al-Scheich, Generalsekretär des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO. "Alle Aufrufe zur Vertreibung des palästinensischen Volkes aus seinem Heimatland" weise man zurück. "Wir sind hier geboren, wir haben hier gelebt, und wir werden hierbleiben." Saudi-Arabien bekräftigte erneut seine Unterstützung für die Palästinenser. Jordanien und Ägypten lehnten den Vorstoß ab, weil sie ihn als Ende der langen Bemühungen um einen Palästinenserstaat betrachten.

Netanjahu lobt Trumps "frische Ideen"

Unterstützung für seine Pläne bekommt Trump vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der Trumps bemerkenswerte Vorschläge lächelnd aufnahm. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Trump schwärmte er von Trumps Abkehr von "konventionellen Denkweisen" und dessen "frischen Ideen". 

Zudem sagte er, dass die USA der verlässlichste Unterstützer Israels sei, der es ermöglichen werde, Israels Ziele in Gaza zu erreichen. Als Kriegsziel hatte Netanjahu bis zuletzt die vollständige Zerstörung der Hamas ausgegeben. Noch ist unklar, ob die derzeitige Waffenruhe von Dauer ist oder der Krieg wiederaufgenommen wird.

Am Ende der Woche will Israel Verhandlungen über die zweite Phase der Waffenruhe im Gazastreifen beginnen. Welche Auswirkungen Trumps Pläne darauf haben, bleibt abzuwarten. Zu Trumps Übernahmeplänen äußerte sich Netanjahu zunächst nicht explizit. Ob er vor dem Treffen mit dem US-Präsidenten davon wusste oder ob er am Dienstag zum ersten Mal davon hörte, ist nicht bekannt.

mh/fkr/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Trumps Pläne einer "Riviera des Nahen Ostens": . In: Legal Tribune Online, 05.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56526 (abgerufen am: 17.03.2025 )

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