Weil Rapper Fler sich nicht an ein Verbot einer Liedzeile hielt, musste er immer wieder Ordnungsgelder zahlen. Gegen eines erhob Fler Verfassungsbeschwerde. Doch sein Argument – das Publikum war's – überzeugte die Verfassungsrichter nicht.
Der Berliner Rapper Fler ist vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gescheitert. Er war gegen ein Ordnungsgeld in Höhe von 65.000 Euro vorgegangen, das er deshalb kassiert hatte, weil er verbotene Liedzeilen gesungen hatte bzw. hatte singen lassen und Videos davon verbreitet hatte. Das BVerfG nahm seine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an (Beschl. v. 19.12.2024, Az. 1 BvR 1425/24). Fler habe nicht ausreichend begründet, warum die Ordnungsgeldbeschlüsse zweier Münchener Gerichte Fler in seinen Grundrechten verletzen sollen. Insbesondere konnte Fler nicht mit dem Argument durchdringen, dass er sich nicht zurechnen lassen müsse, wenn das Publikum die verbotenen Textzeilen singe.
Ausgangspunkt des Verfahrens ist ein Streit zwischen Fler und Bushido, den sie szeneüblich über Songtexte austrugen, in denen sie sich gegenseitig beleidigten. Das ist grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Fler jedoch schoss mit seiner Reaktion auf Bushidos Diss-Track gegen ihn über das zulässige Maß hinaus, als er in "Noname" auch Bushidos Kinder mit reinzog. Wie LTO 2019 berichtete, untersagte das Landgericht (LG) München I dem Berliner Rapper per einstweiliger Verfügung, weiter zu behaupten, Bushido sei nicht der Vater der vier gemeinsamen Kinder mit seiner Frau. Auch dass stattdessen der gesamte Kader des SV Werder Bremen als Vater in Betracht komme, darf er nicht weiter rappen.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wurden die gesetzlichen Ordnungsmittel angedroht. Das sind nach § 890 Zivilprozessordnung (ZPO) Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro und ersatzweise Ordnungshaft. Wiederholt verbreitete Fler in der Folge jedoch Teile der verbotenen Liedzeilen, weshalb vier Ordnungsmittelverfahren gegen ihn geführt wurden. Ein fünftes wurde wegen dreier Konzerte im Sommer 2023 eingeleitet: Fler hatte die verbotene Passage angestimmt – zweimal hatte er auch selbst eine verbotene Zeile gesungen –, dann jeweils das Mikrofon Richtung Publikum gehalten und sich zum Beat auf und ab bewegt, während das Publikum jeweils andere verbotene Zeilen gesungen hatte. Von einem dieser Konzert-Momente postete Fler am nächsten Tag ein Video auf seinem Twitter-Account. Im Februar 2024 verhängte das LG München I in dem fünften Ordnugsmittelverfahren deshalb ein Ordnungsgeld in Höhe von 65.000 Euro. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Münchener Oberlandesgericht (OLG) zwei Monate später zurück.
Das Publikum war's
Diese Beschlüsse griff Fler mit der Verfassungsbeschwerde an – und scheiterte. Die 2. Kammer des Ersten Senats nahm die Sache nicht zur Entscheidung an. Eine Grundrechtsverletzung sei nicht substantiiert dargelegt. Damit rügte Fler letztlich erfolglos einen Verstoß gegen das sogenannte Doppelahndungsverbot, eine Verletzung des Schuldgrundsatzes, seiner persönlichen Freiheit sowie der Kunstfreiheit.
Eine Verletzung des Schuldgrundsatzes, der u. a. im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, GG) und in der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) verankert ist, konnten die Richter nicht erkennen. Dies hatte Fler damit begründet, dass die Münchener Gerichte nicht berücksichtigt hätten, dass er schuldlos gehandelt habe. Schließlich habe er die verbotenen Zeilen nicht (vollständig) selbst gesungen, sondern das Publikum. Aus demselben Grund sei auch seine persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 2 GG) dadurch verletzt, dass das LG ersatzweise Ordnungshaft angeordnet hatte. Auch eine Verletzung seiner Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG begründete Fler mit dem Einwand: Das Publikum war's.
Diesem Argument erteilte die 2. Kammer jedoch eine Absage. Hinsichtlich des Schuldgrundsatzes stimmten die Richter im Ausgangspunkt zu, dass § 890 ZPO ein schuldhaftes Handeln voraussetze. Denn es handle sich "ungeachtet des zwangsvollstreckungsrechtlichen Einschlags" um eine Vorschrift, die "der Ahndung begangenen Unrechts" und damit "strafrechtlichen Grundsätzen" diene. Allerdings habe Fler nicht dargelegt, warum die Münchener Gerichte ein schuldhaftes Verhalten Flers zu Unrecht angenommen hatten.
Zum einen sei in dem Verfahren unstreitig geblieben, dass Fler in zwei Fällen selbst eine verbotene Zeile gesungen hatte. Zum anderen habe das OLG sich mit dem Zusammenwirken von Fler und dem Publikum eingehend auseinandergesetzt.
Ist damit faktisch der ganze Song verboten?
Der Rapper habe nicht vorgetragen, "weshalb das Halten des Mikrofons in Richtung des Publikums […] nicht als Aufforderung an das Publikum auszulegen sei, die darauffolgende verbotene Liedzeile zu singen". Zudem hätte er "darlegen müssen, inwiefern ihm der Gesang des Publikums nicht zuzurechnen sei, wenn er während des Gesangs das Mikrofon in die Menge hält und dabei mit den Armen im Takt wippt und nicht versucht, auf das Publikum einzuwirken und den Gesang der verbotenen Liedzeilen zu unterbinden".
Wenn Fler sich hier anders verhalten hätte und das Publikum die verbotenen Zeilen unabhängig vom eigenen Verhalten gesungen hätte, wäre das Ordnungsgeld gegebenenfalls nicht gerechtfertigt gewesen. Aus diesem Grund wies das BVerfG auch Flers Vortrag zu einer Verletzung der Kunstfreiheit zurück. Der Rapper hatte argumentiert, wenn man ihm das Verhalten des Publikum unabhängig von seinem eigenen Verhalten zurechne, führte das dazu, dass er ein Lied mit verbotenen Passagen öffentlich gar nicht mehr aufführen könnte. Dabei habe Fler verkannt, dass das OLG München aber auf Flers eigenes Verhalten abgestellt hatte.
Zudem hatte das OLG sogar praktische Tipps gegeben, die auch für andere Künstler interessant sein könnten, die ein teures Ordnungsgeld vermeiden wollen: Sie können auf die verbotene Zeile einen anderen Text singen oder aber einen Ton bei den entsprechenden Passagen einspielen lassen.
Zwei Ordnungsgelder für denselben Verstoß?
Den von Fler gerügten Verstoß gegen das Doppelahndungsverbot konnte das BVerfG ebenfalls nicht erkennen. Das Gebot ist als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips auch in Art. 20 Abs. 3 GG verankert. Es besagt, dass eine Person nicht zweimal für dieselbe Tat belangt werden darf. Flers Rüge beruhte insofern darauf, dass das vierte Ordnungsmittelverfahren noch lief, als das hier gegenständliche fünfte Verfahren eingeleitet wurde, und dass es in beiden Verfahren um das Teilen eines Video-Konzertmitschnitts in den Sozialen Medien ging.
Die 2. Kammer betonte dagegen, dass eine Doppelahndung nur vorliege, "wenn der Gegenstand einer späteren Festsetzung mit dem einer früheren in allen Einzelheiten identisch ist". An dieser Identität fehle es eindeutig, da es um zwei unterschiedliche Soziale Netzwerke und zwei unterschiedliche Konzerte gehe. Mit der insofern maßgeblichen Rechtsprechung des BVerfG "hat sich der Beschwerdeführer nicht auseinandergesetzt", beanstandete die Kammer.
65.000-Euro-Niederlage von Fler vor Bundesverfassungsgericht: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56714 (abgerufen am: 19.04.2025 )
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