Abgabenbescheide gegen deutsche Milchbauern wegen Überproduktion sind auch nach Ablaufen des letzten EU-Milchquotenjahres rechtmäßig, urteilten die Richter. Das Urteil gilt als Signal für ähnliche Verfahren in ganz Deutschland.
Der 4. Senat des Finanzgerichts (FG) Hamburg hat heute in einem Musterverfahren die Klage eines Milcherzeugers abgewiesen (Urt. v. 30.09.2016, Az. 4 K 157/15). Gegen ihn war nach Ende des Milchquotenjahres 2014/2015 eine Überschussabgabe festgesetzt worden. Die Begründung: Er habe mehr Milch geliefert, als seine Milchquote erlaubt habe. Das Gericht hat nun entschieden, dass die Festsetzung der Milchabgabe rechtmäßig sei.
Die EU-Milchquote regelte mehr als 30 Jahre lang die europäische Milchproduktion. Für jedes Land legte die EU eine Höchstmenge fest, die auf die Betriebe verteilt wurde. Ziel war es, die Einkommen der Landwirte zu sichern, Überproduktion zu vermeiden, die Milchseen in der EU auszutrocknen und die Butterberge abzutragen. Wenn ein Land seine zugeteilte Produktionsmenge überschritt, musste es eine Abgabe zahlen. Die wurde wiederum auf die Erzeugerbetriebe umgelegt, die für die Überproduktion verantwortlich waren. Ende März 2015 lief die Milchquote aus.
Für das letzte Milchquotenjahr haben die in Deutschland zuständigen Hauptzollämter noch Überschussabgaben von insgesamt mehr als 300 Millionen Euro festgesetzt. Allein beim Finanzgericht Hamburg sind bisher rund 200 Klagen eingegangen. Nach Meinung des betroffenen Bauern ist der an ihn adressierte Abgabenbescheid insbesondere deswegen rechtswidrig, weil er erst nach Abschaffung des Milchquotensystems erlassen wurde. Damit habe es für den Bescheid keine Rechtsgrundlage mehr gegeben.
Keine Absicht der EU erkennbar, auf letztes Quotenjahr zu verzichten
Das sah das FG anderns. Es sei kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass der EU-Gesetzgeber für das letzte Milchquotenjahr auf die Erhebung der Überschussabgabe habe verzichten wollen. Die Verordnungen des Milchquotensystems seien eindeutig und enthielten auch die Rechtsgrundlage für die Erhebung von Abgabenbescheiden. Dass die Überschussabgabe erst zu einem Zeitpunkt festgesetzt wurde, als das System der Milchregulierung bereits ausgelaufen sei, stelle rechtlich keine Besonderheit dar, sondern sei im Abgaben- und Steuerrecht eine übliche Gesetzestechnik. Es liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit vor. Jeder Milcherzeuger habe – auch nach dem 31. März 2015 – damit rechnen müssen, zur Überschussabgabe herangezogen zu werden, wenn er mehr geliefert habe, als seine Milchquote zuließ.
Die Verbände der Landwirtschaft nehmen nicht eindeutig Stellung für die betroffenen Landwirte, sondern positionieren sich neutral. "Manche Landwirte haben die Quote eingehalten, andere nicht", heißt es beim Landesbauernverband Schleswig-Holstein.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der Senat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
FG Hamburg entscheidet gegen Milchbauern: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20750 (abgerufen am: 11.10.2024 )
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