Homosexuelle Paare kamen bislang nicht in den Genuss des Ehegattensplittings, das oftmals steuerliche Vorteile bietet. Nachdem sie inzwischen heiraten dürfen, steht es ihnen offen - auch rückwirkend für die Vergangenheit.
Durch das Eheöffnungsgesetz (EheöffnungsG) müssen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern, die ihre Partnerschaft in eine Ehe umwandeln lassen, die gleichen Rechte und Pflichten eingeräumt werden wie heterosexuellen Ehepaaren. Dazu gehören auch die Vorteile des sogenannten Ehegattensplittings, wie das Finanzgericht (FG) Hamburg nun entschied. Das gelte auch rückwirkend für die Vergangenheit (Urt. v. 31.07.2018, Az. 1 K 92/18).
In dem Fall ging es um zwei Männer, die im Jahr 2001 eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft eingegangen waren. Im Juni vergangenen Jahres beschloss der Bundestag schließlich, nach langem Ringen, das EheöffnungsG, das die Ehe für alle möglich machte. Kurz nach dessen Inkrafttreten im Oktober nutzte das Paar sodann die Möglichkeit, nach dem neu geschaffenen § 20a Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) ihre bisherige Partnerschaftsform in eine Ehe umwandeln zu lassen.
Die Ehe bringt exklusiv zu allen anderen Partnerschaften u. a. die Möglichkeit des sogenannten Ehegattensplittings mit sich, bei dem das gemeinsame zu versteuernde Einkommen beider Partner zusammengenommen und dann halbiert wird. So wird das Einkommen also zu gleichen Teilen aufgeteilt, auch wenn ein Partner mehr verdient als der andere. Das kann je nach Einzelfall dazu führen, dass weniger Steuern gezahlt werden müssen, als wenn beide Partner zusammen veranlagt werden müssen.
In den Genuss dieser Regelung kommen nach dem EheöffnungsG nun auch gleichgeschlechtliche Ehepaare, allerdings wollten die beiden Männer die Vorteile auch rückwirkend für ihre 16-jährige Partnerschaft angerechnet haben. Das verneinte das Finanzamt aber mit Verweis auf die Bestandskraft der bis dahin ergangenen Steuerbescheide und die Verjährung der Veranlagungsjahre bis einschließlich 2011 ab. Nach der Rechtsprechung des BVerfG müsse die Ungleichbehandlung homosexueller Paare nur in noch nicht bestandskräftigen Sachen beseitigt werden.
Umwandlung in Ehe als rückwirkendes Ereignis
Gegen diese Entscheidung erhoben die Eheleute Widerspruch, der aber abgewiesen wurde, weshalb man schließlich Klage zum Hamburger Finanzgericht erhob, das ihnen in seinem Urteil nun Recht gab und die Steuervorteile für die vergangenen Jahre ihrer Partnerschaft zubilligte.
Tatsächlich sieht das Steuerrecht auch eine Möglichkeit vor, bereits bestandskräftig gewordene Bescheide rückwirkend zu ändern. Diese Möglichkeit gibt § 175 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) in zwei Fällen: Entweder muss ein dem Steuerbescheid zugrunde liegender Bescheid geändert werden oder es muss ein rückwirkendes Ereignis eintreten. Als solches wertete das FG hier die Umwandlung der Partnerschaft in die Ehe. Das Finanzamt hatte diesen Schluss in seinem Widerspruchsbescheid noch verneint.
Was ein solches rückwirkendes Ereignis sein kann, lässt das Gesetz offen. Das FG zieht in seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) heran, nach der ein solches Ereignis den Sachverhalt derart verändern und dabei derart in die Vergangenheit zurückwirken muss, dass ein Bedürfnis besteht, eine schon endgültige Entscheidung noch einmal zu korrigieren (Urt. v. 12.07.1989, Az. X R 8/84).
Das sah das Gericht im Fall von Art. 3 Abs. 2 des EheöffnungsG gegeben. Danach, so das FG, sei für die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe mit allen damit einhergehenden Auswirkungen der Beginn der Partnerschaft maßgebend. Die Eheleute seien demnach nun so zu stellen, als hätten sie bereits damals geheiratet.
Gericht widerspricht BMJV
Eine besondere gesetzliche Anordnung für die Rückwirkung, so das Gericht, brauche es nicht. Schließlich sei "(d)ie Bestandskraft (...) kein derart tragendes Prinzip des Rechts", sodass eine Änderung bestandskräftiger Bescheide einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung bedürfe. Dies soll nach Auslegung des Senats jedenfalls dann gelten, wenn es sich bei der Gesetzesänderung, welche die steuerliche Rückwirkung veranlassen soll, um eine Norm außerhalb des Steuerrechts handele.
Damit stellte sich das Gericht auch ausdrücklich gegen die im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJV) vom 14. Juni dieses Jahres für ein "Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" vertretene Meinung. Dort war man davon ausgegangen, dass das EheöffnungsG keine rückwirkende steuerliche Wirkung entfalte. Mit Art. 3 Abs. 2 sei aber "ausdrücklich, ohne jede Einschränkung und somit eindeutig gesagt, dass der Gesetzgeber eine rückwirkende Beseitigung von Ungleichbehandlungen gewollt hat", bekräftigte das FG.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Revision zum BFH wurde zugelassen. Es ist davon auszugehen, dass die Angelegenheit also bald höchstrichterlich besprochen werden wird.
mam/LTO-Redaktion
FG Hamburg zum Ehegattensplitting: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30459 (abgerufen am: 03.10.2024 )
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