FDP-Politiker klagen gegen NetzDG: Reif für Karls­ruhe oder doch nur heiße Luft?

von Maximilian Amos

12.06.2018

Zwei FDP-Politiker wollen das umstrittene NetzDG kippen. Den Anfang machen sie nun vor dem VG Köln, doch der Weg soll nach Karlsruhe führen. Überzeugt sind davon längst nicht alle.

Jimmy Schulz und Manuel Höferlin heißen die beiden Protagonisten einer Geschichte, deren Ausgang spektakulär sein könnte – oder die schlicht versandet. Die Männer sind Bundestagsabgeordnete für die FDP und klagen nun gegen das seit 01.01.2018 vollständig in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG).

Am liebsten würden sie mit ihrem Anliegen gerne sofort auf das ganz große Parkett treten und vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klären lassen, ob das Gesetz, das eigentlich Hassrede und Fake-News im Netz bekämpfen sollte, die Meinungsfreiheit verletzt. Doch mit dem direkten Weg nach Karlsruhe rechnen sie sich wenige Chancen aus, schließlich gilt bei Verfassungsbeschwerden der Grundsatz der Subsidiarität. Wer sich in seinen Rechten verletzt sieht, muss zunächst einmal die einfachen Fachgerichte bemühen, bevor er sein Anliegen am BVerfG vortragen kann.  Somit haben sie nun erst einmal Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Köln eingereicht, der Schriftsatz liegt LTO vor. Vertreten werden sie dabei durch Prof. Dr. Hubertus Gersdorf, Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Medienrecht an der Universität Leipzig.

Das NetzDG, geschaffen im Auftrag des damaligen Bundesjustiz- und jetzigen Außenministers Heiko Maas, sieht vor, dass soziale Netzwerke mit mindestens zwei Millionen Nutzern Inhalte, die ihnen als rechtswidrig gemeldet werden, binnen 24 Stunden bzw. in schwierigen Fällen binnen einer Woche untersuchen und diese bei einem Rechtsverstoß löschen müssen. Tun sie dies systematisch nicht, drohen den Unternehmen Bußgelder im Millionenbereich. Bereits vor seiner Verabschiedung zog das Gesetz scharfe Kritik von allen Seiten auf sich, es war die Rede von Zensur und die Furcht vor "Overblocking" kursierte – also davor, dass Netzwerke angesichts empfindlicher Sanktionen eher zur Löschung tendieren als einen fragwürdigen Beitrag stehen zu lassen.

"Extrem harte Zensur"

In ihrer Klage lassen die beiden Abgeordneten kein gutes Haar am NetzDG: Dem Bund fehle schon die Gesetzgebungskompetenz, da die Einhaltung rechtlicher Standards in sozialen Medien den für die Medien zuständigen Ländern obliege. Überdies verletze das Gesetz die Kommunikationsgrundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Grundgesetz (GG), indem es "Overblocking" befördere.

Der liberale Rechtsstaat dürfe die Entscheidung, was Recht und was Unrecht sei, nicht der Interpretation privater Unternehmen überlassen, begründet Schulz in einem Statement seine Klage. "Bereits in den ersten Tagen nach Einführung des NetzDG zeigte sich, dass die betroffenen Unternehmen – verständlicherweise – keine heftigen Geldbußen riskieren wollten und im Zweifel lieber zu viel löschten als zu wenig", so Schulz. Das Overblocking führe zu einer "extrem harten  Zensur".

Schulz und Höferlin sind bislang selbst keine "Opfer" einer unberechtigten Löschung auf Facebook oder anderen Plattformen geworden. Das ändert aber in ihren Augen nichts daran, dass das Gesetz keinen Bestand haben darf. Soweit befinden sie sich auf Linie ihrer Partei, die bereits auf parlamentarischem Wege versuchte, dagegen vorzugehen, jedoch ohne Erfolg. Nun wollen sie es also gerichtlich versuchen. Weil sie persönlich (noch) nicht betroffen sind, ist dabei aber schon die Zulässigkeit ihrer Klage ein Problem.

FDP-Politiker unter dem Damoklesschwert des NetzDG?

Ihr Antrag zielt auf die vorbeugende Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht berechtig sei, durch Androhungen von Bußgeldern gegenüber Unternehmen die Löschungen von Inhalten zu bewirken. Dies hat aber nur Aussicht auf Erfolg, wenn sie ein persönliches Interesse an dieser Feststellung nachweisen können. Hierfür berufen sich die Liberalen auf die "Damokles"-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach kann ausnahmsweise vorbeugender Rechtsschutz gewährt werden, wenn dem Kläger bspw. wegen des Risikos eines Bußgeldes nicht zugemutet werden kann, eine behördliche Maßnahme gegen sich abzuwarten.

Nach dieser Logik, so argumentieren Schulz und Höferlin, dürfe ihnen auch nicht zugemutet werden, erst einmal etwas Rechtswidriges schreiben zu müssen, um dann auf eine Löschung nach dem NetzDG zu warten. Schief an dieser Argumentation ist aber, dass das NetzDG für Löschpflichten nur an bestehendes Strafrecht anknüpft. Dessen Grundlage steht hier aber gar nicht in Rede. Anders gesagt: Strafbar wären entsprechende Aussagen so oder so – das NetzDG hält die Unternehmen nur zur effektiven Löschung an.

Die Klage hat nach ihrem Bekanntwerden größtenteils negatives Echo gefunden, auch unter vermeintlich Gleichgesinnten. "Wir hatten längst mit der FDP eine Anhörung im Rechtsausschuss nach der Sommerpause zu diesem kritischen Gesetz vereinbart. Was dieser Alleingang bringen soll, ist mir schleierhaft", äußerte bspw. die Grünen-Politikerin Renate Künast und verwies darauf, dass Experten das Vorhaben als aussichtslos einschätzten.

"Das NetzDG ist zum Ende der vergangenen Legislaturperiode durch den Bundestag gepeitscht worden. Es geht jetzt darum, in einem geordneten Verfahren die Scherben aufzukehren und nicht um mediale Aufmerksamkeit. So bläst die FDP gemeinsam mit der AfD in ein populistisches Horn", kritisiert Künast die klagenden FDP-MdB gegenüber LTO. Stattdessen solle weiter in einem parlamentarischen Verfahren auf Verbesserungen gedrungen werden.

Zitiervorschlag

Maximilian Amos, FDP-Politiker klagen gegen NetzDG: Reif für Karlsruhe oder doch nur heiße Luft? . In: Legal Tribune Online, 12.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29105/ (abgerufen am: 14.04.2024 )

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