Münchner Gegenentwurf zum Verbandssanktionengesetz: Sank­tionen ja, aber nur für die Großen

von Tanja Podolski

05.09.2019

Familienunternehmer befürchten Pleiten und den Abbau von Arbeitsplätzen wegen des Gesetzentwurfs zum Verbandssanktionengesetz aus dem BMJV. Sie wollen kleine Unternehmen außen vor lassen, schreiben sie in einem Gegenentwurf.

Unterstützt vom Verband "Die Familienunternehmer" haben Rechtswissenschaftler am Donnerstag in München einen Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes dem Vorschlag aus dem Bundesjustizministerium (BMJV) entgegengestellt. Den Alternativ-Entwurf stellten der Münchner Wirtschaftsstrafrechtler Prof. Dr. Frank Saliger und die Kanzlei Tsambikakis & Partner vor. Dabei gehe es um "ein angemessenes Recht zur Sanktionierung von Verbänden mit am Prinzip der Verhältnismäßigkeit orientierten Geldbußen".

Im Kern unterscheidet sich der Vorschlag aus München in vier wesentlichen Punkten: dem Adressatenkreis, der Höhe der möglichen Sanktionen, der Strafmilderung bei vorhandenen Compliance-Systemen und den Regelungen bei internen Untersuchungen.

Kleine sind die falschen Adressaten

Kleine Verbände wollen die Kritiker aus dem Anwendungsbereich des Verbandssanktionengesetzes vollständig herausnehmen: Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten oder 10 Millionen Euro Jahresumsatz sollen nicht erfasst werden. "Der Entwurf aus dem BMJV bezieht derzeit Stiftungen, Sportvereine und kleine Unternehmen ein, das halten wir nur dann für richtig, wenn diese wirtschaftlich relevant sind", erklärt Mitinitiator Prof. Dr. Michael Tsambikakis von der Kanzlei Tsambikakis & Partner in Köln. "Diese kleinen Unternehmen und Verbände haben wir doch beiden Forderungen nach Sanktionen gegen Unternehmen, die durch die Diesel- und VW-Diskussion angefeuert wurden, überhaupt nicht im Sinn gehabt", meint der Anwalt.

Bei der Vorstellung in München ist insbesondere die Höhe der Umsatzgrenze, bei der sich die Initiatoren von der europarechtlichen Vorgabe zur Bestimmung von kleinen und mittleren Unternehmen haben leiten lassen, diskutiert worden: "Eine Anhebung der Anwendungsgrenze auf einen Umsatz von 50 Millionen Euro haben Vertreter der IHK angeregt", sagt Tsambikakis. Derartiges könnten sich die Initiatoren durchaus vorstellen. "Uns ist wichtig, den Stein ins Rollen zu bringen und den BMJV-Entwurf nicht in seiner derzeitigen Fassung durchgehen zu lassen."

Es bestehe auch gar keine Notwendigkeit für eine Einbeziehung, meint Tsambikakis, "denn schon jetzt haben wir eine persönliche Haftung der Geschäftsführer und Führungskräfte mit den Möglichkeiten der Einziehung von Vermögen, also der Vermögensabschöpfung, und ordnungswidrigkeits- oder strafrechtlichen Sanktionen".

Maximal 200 Millionen plus Gewinnabschöpfung

Ein weiterer Änderungsvorschlag betrifft die Höhe der Sanktionen. Während nach dem derzeit geltenden Ordnungswidrigkeitenrecht Geldbußen von bis zu einer Milliarde Euro möglich sind, sieht der Gesetzesentwurf aus dem BMJV Sanktionen von bis zu zehn Prozent des Konzernumsatzes vor, das gilt für große Wirtschaftsunternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Hinzu komme die Prangerwirkung eines Sanktionsregisters, kritisieren Saliger und Tsambikakis. Dem stellt der Münchner Entwurf maximale Geldbußen von 200 Millionen Euro zuzüglich Gewinnabschöpfung entgegen.

"Wir halten es für falsch, an das Kartellrecht angelehnte Unternehmensstrafen einzuführen und die Unternehmen öffentlich zu ächten. Für die Beschäftigten hätte dies ebenso dramatische Folgen wie für Aktionäre und Anteilseigner. Auch der Staat würde sich selbst schaden, weil damit die Krise oder der Zusammenbruch von Unternehmen in Kauf genommen wird", so Saliger.

Compliance-Systeme und interne Untersuchungen

Bei der Bemessung der Sanktionen wollen die Initiatoren vorhandene Compliance-Systeme strafmildernd berücksichtigt wissen. "Nur so schaffen wir Anreize dafür, dass Unternehmen systematisch darauf hinarbeiten, Rechtsverstöße zu vermeiden. Damit betten wir die geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in das Gesetz direkt mit ein", erklärt Saliger. Das sei in dem Berliner Gesetz überhaupt nicht vorgesehen.

Anders die sogenannten internen Untersuchungen. Die sollen auch nach dem Entwurf des BMJV unter bestimmten Umständen zu Sanktionsmilderungen für Unternehmen führen, welche das nicht unumstrittene Instrument einsetzen. Umstritten, weil die Unternehmen Anwaltskanzleien beauftragen, die Unterlagen und Emails der Unternehmen durchforsten und Mitarbeiter befragen.

Die Münchener wollen bei den internen Untersuchungen das staatliche Gewaltmonopol in den Mittelpunkt gerückt sehen. "Eine objektive Aufarbeitung von Vergehen in Unternehmen setzt die enge Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden des Staates voraus. Daher stellen wir in unserem Gesetzesentwurf klar, dass interne Ermittler zur Kooperation mit der Staatsanwaltschaft verpflichtet sind", betont Hans-Peter Huber von Tsambikakis & Partner in Berlin. "In den USA hat sich dieses Prinzip bewährt. Das fängt mit der Auswahl der Kanzlei an. Sie muss wie ein Wirtschaftsprüfer bei der Jahresabschlussprüfung unabhängig sein und laufend an die Staatsanwaltschaft berichten. Zudem müssen Mitbestimmungsorgane wie der Betriebsrat in die interne Untersuchung eingebunden und Mitarbeiter bei Befragungen anwaltlich begleitet werden. Sie genießen dabei denselben Schutz wie bei einer staatlichen Zeugenbefragung."

"Mit der Kriminalisierung von Unternehmen ist niemandem gedient", sagt Saliger. "Die Sanktionierung von Unternehmen erfordert einen einheitlichen Rahmen unter Wahrung der deutschen Rechtstradition."

Zitiervorschlag

Münchner Gegenentwurf zum Verbandssanktionengesetz: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37477 (abgerufen am: 14.11.2024 )

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