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Urteilsgründe des BGH im Fall Schulte-Kellinghaus: "Ver­fas­sungs­be­schwerde für die nächsten Jahre ver­hin­dert"

von Annelie Kaufmann

14.11.2017

Aufgeschlagenes Gesetz

© Ingo Bartussek - stock.adobe.com

Der "langsame Richter" wird die Justiz noch lange beschäftigen. Während der BGH den Dienstgerichtshof aufgefordert hat, sich näher mit den Erledigungszahlen zu befassen, hofft Thomas Schulte-Kellinghaus weiter auf das Verfassungsgericht.

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Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) in einem dienstgerichtlichen Verfahren um den Karlsruher Richter Thomas Schulte-Kellinghaus die Urteilsgründe veröffentlicht hat, kritisiert dessen Rechtsanwältin Christina Gröbmayr die Entscheidung scharf. Mit der Zurückverweisung an den Dienstgerichtshof habe der BGH die von Schulte-Kellinghaus angestrebte Verfassungsbeschwerde "für die nächsten Jahre verhindert." Das sei die "nicht seriöse Folge" der Zurückverweisung.

Der Fall ihres Mandanten hatte bundesweit in der Justiz für Aufsehen gesorgt. Schulte-Kellinghaus ist Richter am Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Mit seiner Klage wehrt er sich gegen den Vorhalt der ehemaligen OLG-Präsidentin Christine Hügel, die ihm vorgeworfen hatte, zu wenig Fälle zu erledigen.
Sie hatte seine Erledigungszahlen mit dem Pensum anderer Richter am OLG Karlsruhe verglichen und kritisiert, Schulte–Kellinghaus unterschreite das durchschnittliche Erledigungspensum "ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessenden Toleranzbereiche". In den Jahren 2008 bis 2010 habe seine Erledigungsleistung nur etwa 68 Prozent der von anderen OLG-Richtern in diesem Zeitraum durchschnittlich erledigten Verfahren entsprochen. 2011 habe er sogar weniger Verfahren als ein Halbtagsrichter erledigt.

Schulte-Kellinghaus sieht darin einen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit. Unbestritten ist, dass er nicht etwa weniger arbeitet als seine Kollegen, sondern eher besonders gründlich vorgeht. Um mehr Fälle zu erledigen, müsse er seine Rechtsanwendung grundlegend ändern, betont Schulte-Kellinghaus immer wieder. Er kritisiert, es gehe letztlich darum, Ressourcen zu sparen und auf Druck der Justizminister "kurzen Prozess" zu machen.

BGH: Eingriff nur unzulässig, wenn Pensum allgemein nicht sachgerecht bewältigbar

Das baden-württembergische Dienstgericht und der Dienstgerichtshof beim OLG Stuttgart hatten die Ermahnung der Präsidentin zunächst bestätigt.

Der BGH hob das Urteil allerdings auf und verwies zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Dienstgerichtshof zurück. Dort müsse zunächst geklärt werden, ob die durchschnittlichen Erledigungszahlen zutreffend ermittelt worden seien oder ob es bei der Ermittlung – wie von Schulte-Kellinghaus bemängelt – methodische Mängel gegeben habe, etwa wegen einer unterschiedlichen Zählweise bei den verschiedenen Senaten.

Die Bundesrichter betonten zugleich, der Vorhalt von Rückständen und die hierauf bezogene Ermahnung, die übertragenen Aufgaben fortan ordnungsgemäß und unverzögert zu erledigen, sei grundsätzlich noch keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit. Unzulässig sei ein Eingreifen der Dienstaufsicht allerdings dann, wenn dem Richter damit indirekt ein Pensum abverlangt werde, welches sich "allgemein, also auch von anderen Richtern, sachgerecht nicht mehr bewältigen lässt".

Die tatsächlichen Erledigungszahlen anderer Richter könnten dabei "nicht mehr als einen Anhalt für das Arbeitspensum geben, das sich sachgerecht erledigen lässt". Dies gelte zudem nur, wenn festgestellt werden könne, dass diese Erledigungen sachgerecht erreicht werden.

Schulte-Kellinghaus will Grundsatzfragen vor dem BVerfG klären

Für Schulte-Kellinghaus ist das allerdings kein Erfolg. Gröbmayr kritisiert: "Was ein 'sachgerechter Durchschnitt' mit den rechtsstaatlichen Prinzipien von richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung zu tun haben soll, weiß niemand, und das erklärt der Bundesgerichtshof im Urteil auch nicht." Justizverwaltungen und Gerichtspräsidenten würden damit berechtigt, Richter "unter direkten Druck zu setzen, damit sie eine 'Rechtsprechung light' praktizieren". Damit habe der BGH dem Rechtsstaat "schweren Schaden" zugefügt.

Der BGH missachte dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), so Gröbmayr weiter. In einem Beschluss vom Juli 2016 hatten die Verfassungsrichter ausgeführt, ein Richter könne seiner persönlichen Verantwortung nur gerecht werden, wenn ihm ausreichend Zeit "zu einer allein an Recht und Gesetz orientierten Bearbeitung des Falles" zur Verfügung stehe. Eine Orientierung allein an vermeintlich objektiven, durchschnittlichen Bearbeitungszeiten genüge dem nicht. "Darauf ist der BGH mit keinem Wort eingegangen", sagt Gröbmayr. Das Gericht habe sich damit über die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinweggesetzt.

In dem von Gröbmayr angesprochenen Fall hatte das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, mit der sich ein Amtsrichter gegen seine Verurteilung wegen Rechtsbeugung wehrte. Er war zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil er mehrfach Verkehrssünder freigesprochen hatte. Der Richter hatte das u. a. mit seiner Überlastung begründet.

Schulte-Kellinghaus sieht in den Ausführungen der Verfassungsrichter einen Hinweis, dass sich das BVerfG zu seinem Fall anders verhalten könnte, als es der BGH getan hat. Nach einer Zurückweisung der Revision hätte er eine Verfassungsbeschwerde einlegen können. Nun muss er zunächst den weiteren Gang des Verfahrens abwarten.

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Annelie Kaufmann, Urteilsgründe des BGH im Fall Schulte-Kellinghaus: . In: Legal Tribune Online, 14.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25519 (abgerufen am: 08.11.2025 )

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