Facebook begleicht offene Forderungen: Doch keine Zwangs­voll­st­re­ckung bei SPD und CDU

von Pia Lorenz

26.07.2019

Weil Facebook nicht zahlte, hat ein Hamburger Anwalt beantragt, Forderungen des Unternehmens gegen CDU und SPD zu pfänden. Die hätten schließlich das NetzDG beschlossen. Dabei gibt es keinen Zusammenhang; und nun auch keine Pfändung.

Mehrere Medien, darunter auch LTO, hatten am Dienstag berichtet, dass der Hamburger Anwalt Joachim Steinhöfel Forderungen gegen Facebook bei den Regierungsparteien vollstrecke.

Das las sich teilweise so, als ob Konten von CDU und SPD gepfändet worden seien oder werden sollten. Auch LTO hat erst nach der Veröffentlichung des Artikels ausreichend deutlich klargestellt, dass es lediglich um eine Vollstreckung bei den Regierungsparteien als Drittschuldner ging.

Zu dieser Vollstreckung dürfte es nun nicht mehr kommen, keine der Regierungsparteien muss Zahlungen an Steinhöfel leisten. Die SPD gab an, bei ihnen sei kein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) eingegangen. Ein Sprecher von Facebook teilte gegenüber LTO mit, das Unternehmen komme bestehenden Zahlungsverpflichtungen selbstverständlich nach. "Die hier diskutierten Forderungen sind mittlerweile beglichen worden.” Das geschah offenbar erst nach den Medienberichten. Die Pfändung ist damit dennoch erledigt.

Facebook zahlte zunächst nicht

Steinhöfel hatte nach zwei gewonnenen einstweiligen Verfügungsverfahren zwei titulierte Gerichtskostenforderungen gegen Facebook, die das Internet-Unternehmen zunächst nicht bezahlt hat. Einmal ging es nach Angaben des Anwalts um die Löschung eines Posts und die anschließende vorübergehende Sperrung des Facebook-Accounts eines Politikers, die das Gericht für unrechtmäßig erklärt hatte. In einem zweiten Fall geht Steinhöfel in eigener Sache vor, da das Unternehmen seiner Aufforderung nicht nachkam, einen ihn beleidigenden Post zu löschen. Auch hier erwirkte er eine einstweilige Verfügung, auch hier zahlte Facebook nicht.

Der Anwalt leitete daher eine übliche Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein. Er beantragte beim Vollstreckungsgericht jeweils den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen Forderungen von Facebook gegen Dritte, damit die statt an Facebook an seinen Mandanten zahlen. So weit, so normal, nichts anderes als bei einer Konten- oder Lohnpfändung. SPD und CDU machten bei Facebook kostenpflichtig Werbung, das Unternehmen habe also Forderungen gegen sie, so die Argumentation. Mit der Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hätten die Parteien ihm daher Auskunft über bestehende Forderungen von Facebook erteilen und Zahlungen an Steinhöfel leisten müssen.

Den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht für irgendwelche Schuldner von Facebook zu beantragen, sondern ausgerechnet für die beiden Regierungsparteien, begründete Steinhöfel damit, dass CDU und SPD schließlich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) erlassen hätten. Und das macht aus Steinhöfels Sicht all die einstweiligen Verfügungen seiner Mandanten gegen das soziale Netzwerk erst erforderlich.

Agenda gegen das NetzDG

Das NetzDG, das Hass und Hetze im Netz eindämmen soll, verpflichtet die sozialen Netzwerke bei Androhung recht hoher Bußgelder dazu, ihres Erachtens unzulässige Posts binnen kurzer Fristen zu löschen.

Gegner des Gesetzes kritisieren vor allem, dass die sozialen Netzwerke über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Posts entscheiden sollen und das Gesetz ihnen keine Bußgelder androht, wenn sie zulässige, von der Meinungsfreiheit gedeckte Posts löschen. Sie befürchten daher ein sog. Overblocking, also die Tendenz, um Bußgeldern aus dem Weg zu gehen, zu viel zu löschen und damit die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit zu beschneiden. Das NetzDG hat Kritiker in ganz unterschiedlichen politischen wie gesellschaftlichen Spektren, unter ihnen finden sich auch auffallend viele Rechtspopulisten, die das NetzDG gern als "Zensurgesetz" bezeichnen.

Einer der bekanntesten Kritiker ist Joachim Steinhöfel. Finanziert u.a. durch Spenden vertritt der Jurist, durchaus strategisch, um eine flächendeckende Rechtsprechung zu schaffen, deutschlandweit Menschen, deren Posts ihres Erachtens zu Unrecht gelöscht oder nicht gelöscht wurden. Dabei wird der Anwalt, der selbst auch bei rechten Blogs und Medien publiziert, von Politikern unterschiedlicher Parteien und Menschen verschiedener Gesinnung mandatiert. In Sachen NetzDG geht es Steinhöfel um die Agenda.  

Ebendieser Agenda folgte er, als er Anfang der Woche verkündete, eine Forderung gegen den einen Feind - Facebook - nun bei den anderen Feinden, den "Machern" des NetzDG, vollstrecken zu wollen. Dabei hat die Forderung gegen Facebook mit den Regierungsparteien nicht das Geringste zu tun. Zudem durfte der medienerfahrene Jurist damit rechnen, dass einigermaßen komplexe Zwangsvollstreckungszusammenhänge wie die Pfändung und Überweisung bei Drittschuldnern in der Berichterstattung untergehen würden. Und dass, vor allem in den gut vernetzten Kreisen der Gegner des NetzDG, hängen bleiben würde, dass er bei dessen Machern "Konten pfändet".

Die Pfändung ist vom Tisch

Kommen wird es zu keiner Pfändungsmaßnahme. Steinhöfel hat gegenüber LTO bestätigt, dass Facebook nach den Medienberichten vom Dienstag die ausstehenden Zahlungen geleistet hat. Damit hat die Schuldnerin selbst ihre Schulden bezahlt, die Drittschuldner CDU und SPD müssen nichts mehr veranlassen.

So können einige Fragen am Ende offenbleiben. Ob und weshalb es bei den Sozialdemokraten noch nicht zur Zustellung des PfüB gekommen sein soll, obwohl Steinhöfel den Antrag auf Erlass des Beschlusses schon am 24. Juni dieses Jahres gestellt haben will; wieso Facebook bei seiner Zahlung auf die Forderung, die bei der CDU vollstreckt werden sollte, nach Angaben von Steinhöfel ein amtsgerichtliches Aktenzeichen angab und auch die Kosten der Zwangsvollstreckung bezahlte, die man eigentlich nur aus einem zugestellten Titel kennen kann.

Und schließlich die zwangsvollstreckungsrechtliche Frage, ob die Pfändung automatisch vom Tisch gewesen wäre, wenn Facebook erst nach der Zustellung der PfÜB gezahlt hätte. Steinhöfel sagte gegenüber LTO, er werde nach der Zahlung von Facebook die Zwangsvollstreckung "selbstverständlich nicht mehr fortsetzen".

 

Zitiervorschlag

Facebook begleicht offene Forderungen: Doch keine Zwangsvollstreckung bei SPD und CDU . In: Legal Tribune Online, 26.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36717/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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