Wie stark ist die Überwachung in Deutschland ausgeprägt? Müssen die Sicherheitsgesetze verschärft werden? Bundesjustizminister Volker Wissing hat jetzt angekündigt, noch vor der Bundestagswahl einen Untersuchungsbericht zu veröffentlichen.
Diese Ankündigung des parteilosen Bundesjustizministers Volker Wissing könnte im anstehenden Bundestagswahlkampf, in dem die Parteien auch ihren Fokus auf die Innere Sicherheit legen, noch für Brisanz sorgen: Denn noch vor der Wahl am 24. Februar will die Bundesregierung ein altes Ampel-Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wahrmachen und eine umfassende "Überwachungsgesamtrechnung" vorlegen.
Das jedenfalls kündigte am Dienstag auf dem Jahresauftakt des Deutschen Anwaltvereins (DAV) der ehemalige FDP-Politiker und aktuelle Bundesminister für die Ressorts Verkehr und Justiz an. Noch "in diesen Wochen" werde der Evaluierungsbericht kommen, so Wissing. Auf Nachfrage von LTO erklärte er, dass, sobald ihm der Bericht vorliege, er ihn auch veröffentlichen werde.
Max-Planck-Institut beauftragt
Mit der Untersuchung der Sicherheitsgesetze beauftragt worden war Anfang des Jahres 2024 das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg. Dieses sollte bis Anfang 2025 das Netz an Überwachungsbefugnissen auf wissenschaftlicher Grundlage ermitteln und analysieren.
Das Ergebnis werde eine "Überwachungsgesamtrechnung" sein, welche die bestehenden Befugnisse auf ihre tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen und auf ihre Effektivität hin untersucht, hatte das BMJ seinerzeit in einer Pressemitteilung erklärt. Und nach Plan der Ampel sollte die Überwachungsgesamtrechnung auch nur ein erster Schritt sein. Anschließend sollte "eine unabhängige Freiheitskommission" etabliert werden, die den Gesetzgeber berät, "wenn es um die Frage geht, ob neue Eingriffsbefugnisse wirklich notwendig sind", so der damalige BMJ-Staatssekretär Benjamin Strasser (FDP).
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im BMI, erklärte zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe, die Überwachungsgesamtrechnung umfasse eine wissenschaftliche und evidenzbasierte Untersuchung, die insbesondere aufzeigen soll, welche Auswirkungen die Überwachungsbefugnisse in den Sicherheitsgesetzen und deren praktische Anwendung auf Freiheit und Demokratie haben.
DAV-Präsidentin: "Auch die Einrichtung einer Freiheitskommission bleibt notwendig"
Auf dem DAV-Empfang am Dienstag in Berlin wurde Wissings Ankündigung mit Freude aufgenommen: Eine solche Evaluierung noch vor der Wahl zu veröffentlichen, sei sinnvoll, erklärte DAV-Präsidentin Edith Kindermann gegenüber LTO. Entscheidend werde aber sein, dass sich die künftige Bundesregierung mit den Ergebnissen inhaltlich auseinandersetzt und ihre Sicherheitsgesetzgebung daran ausrichtet. Und notwendig, so Kindermann, bleibe auch die ursprünglich von der Ampel geplante Einrichtung einer Freiheitskommission. Wie dieses Gremium gesetzlich ausgestaltet werden kann, hatte bereits 2022 Strafrechtsexpertinnen und -experten aus Wissenschaft und Anwaltschaft im Rahmen eines Eckpunktepapiers aufgezeigt.
Der nun von Wissing angekündigte Evaluierungsbericht dürfte bei den im Bundestag vertretenen Parteien für Aufhorchen sorgen. Schließlich haben alle von ihnen in ihren Wahlprogrammen das Thema Innere Sicherheit in irgendeiner Form als Schwerpunktthema aufgegriffen. Vor allem CDU und CSU, zu deren Markenkern das Sicherheitsrecht gehört, fordern diverse Verschärfungen in diesem Bereich. Unter anderem mehr Werkzeuge und weniger Hindernisse für Ermittlungsbehörden geben, etwa im Bereich von Quellen-TKÜ, Online-Durchsuchung und KI-Datenanalysen, außerdem eine Mindestdauer-Speicherung von IP-Adressen.
Ob dies allerdings auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts in ihrem Bericht für erforderlich erachten? Realistischer ist eher, dass so manche "schrille" Wahlkampfforderung zur Inneren Sicherheit keine Grundlage im Bericht des Instituts finden wird.
"Schicksal" der RVG-Anpassung weiter unklar
Während sich Kindermann auf dem DAV-Jahresauftakt in der Berliner Littenstraße zumindest über diese Ankündigung Wissings freuen durfte, bleibt das Schicksal eines anderen Herzensthemas der Anwaltschaft unklar. Denn ob die von den Anwältinnen und Anwälten so sehnsüchtig erwartete Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung noch in den letzten Wochen der zu Ende gehenden Legislatur im Bundestag beschlossen werden wird, ist weiter offen.
Sein Haus habe mit den Arbeiten zum Gesetzentwurf, der am 11. Dezember im Bundeskabinett beschlossen worden war, seinen Beitrag geleistet, erklärte Wissing. Jetzt liege es an den Fraktionen.
Evaluierungsbericht zu den Sicherheitsgesetzen: . In: Legal Tribune Online, 14.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56331 (abgerufen am: 06.02.2025 )
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