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EuGH zum Tierschutz: Tra­di­tion recht­fer­tigt die Leim­ru­ten­jagd nicht

17.03.2021

Amsel auf einem Ast

 Wouter Midavaine - stock.adobe.com

Wissenschaftliche Erkenntnisse sind der Tradition vorzuziehen, wenn es um Ausnahmen für in der EU verbotene Vogelfangmethoden geht, so der EuGH. Zu beachten sei vor allem, wenn auch die nicht bejagte Tierwelt unter einer Fangmethode leide.

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Die Leimrutenjagd auf Drosseln und Amseln in Frankreich aus rein traditionellen Gründen ist mit EU-Recht nicht vereinbar. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) und betonte dabei, dass gerade der Beifang, also andere als die bejagten Tiere, wegen irreparabler Schäden durch diese Fangmethode keine Ausnahme möglich macht (Urt. v. 17.3.2021, Rs. C-900/19). 

Beim Leimrutenfang beschmieren Jägerinnen und Jäger beispielsweise einen Ast mit einem klebrigen Material. Kommen Vögel damit in Berührung, verkleben sich ihre Federn und sie fallen zu Boden. Dort werden sie dann eingesammelt.

Geklagt hatten zwei Tierschutzvereinigungen, die vor einem französischen Gericht gegen Ausnahmen zum Gebrauch von Leimruten in bestimmten französischen Departements vorgehen. Dabei machten sie Verstöße gegen die Vogelschutzrichtlinie geltend, die unter anderem ein Verbot der Jagd mit Leimruten festlegt. Die Generalanwältin hatte in ihren Schlussanträgen Raum für Ausnahmen gesehen, wenn der Jagdmethode erhebliches kulturelles Gewicht zukommt. Die wissenschaftliche Sichtweise in Bezug auf das ungewollte Fangen anderer Vögel, also den Beifang, sei jedoch mit einzubeziehen.

Wissenschaft geht vor Tradition

Die Richterinnen und Richter in Luxemburg geben in ihrem Urteil Hinweise darauf, wann nach ihrer Auffassung Mitgliedstaaten von diesem Verbot abweichen dürfen. Dazu stellen sie zunächst klar, dass allein der traditionelle Charakter einer Vogelfangmethode nicht ausreicht, um eine Ausnahme zu begründen. Nur dadurch könne nämlich noch nicht nachgewiesen werden, dass es keine andere, zufriedenstellendere Methode gibt. 

Um die Begründungspflicht für eine Ausnahme vom Vogelfangverbot zu erfüllen, muss laut EUGH ein Nachweis erbracht werden, der auf die besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse gestützt ist. Außerdem müsse die Stelle, die über die Ausnahme entscheidet, die verschiedenen Ausnahmemöglichkeiten vergleichen und die Lösung wählen, die als im größten Maße zufriedenstellend erscheint.

"Irreparable Schäden bei allen Vögeln" durch Leimrutenjagd

Zudem stehe die Vogelschutzrichtlinie einer nationalen Regelung entgegen, die Fangmethoden erlaubt, die zu Beifängen mit bedeutenden Schäden für die Vögel führt. Zwar könnten die Mitgliedstaaten von dem Jagdverbot abweichen, wenn bestimmte Vogelarten selektiv gefangen werden können. Fangmethoden, die jedenfalls zu nicht tödlichen Beifängen führen, dürften aber trotzdem nur in geringem Umfang genutzt werden und auch nur, wenn die Vögel ohne bedeutende Schäden wieder freigelassen werden können.

Speziell auf die Leimrutenjagd bezogen kommt der EuGH in seinem Urteil deshalb zu dem Ergebnis, dass hier auch die nur beigefangenen Vögel irreparable Schäden erleiden. Auch wenn sie gereinigt werden, könnten Leimruten das Gefieder aller gefangenen Vögel irreparabel schädigen, weswegen keine Ausnahme gemacht werden könne.

pdi/LTO-Redaktion

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EuGH zum Tierschutz: Tradition rechtfertigt die Leimrutenjagd nicht . In: Legal Tribune Online, 17.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44517/ (abgerufen am: 26.01.2023 )

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