Der EuGH hat in seiner Entscheidung zur Waldschlößchenbrücke EU-weit geltende Naturschutzvorgaben gestärkt. Die Grüne Liga Sachsen, die gegen den Brückenbaubeschluss geklagt hatte, sieht schon jetzt Auswirkungen auf weitere Projekte.
Bei der Beurteilung einer Klage zum Bau der Dresdner Waldschlößchenbrücke muss das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig europäische Naturschutzvorgaben berücksichtigen. Dass der Bauort im Elbtal zum Zeitpunkt des Planfeststellungsverfahrens noch nicht als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung eingestuft war, spiele keine Rolle, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am vergangenen Donnerstag.
Was das Urteil aus Luxemburg für eine Klage von Naturschützern der Grünen Liga Sachsen gegen die Waldschlößchenbrücke bedeutet, muss nun das BVerwG entscheiden. Die deutschen Richter hatten den EuGH lediglich um eine grundlegende Auslegung von EU-Recht gebeten. Dabei ging es unter anderem um die Frage, ob beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen für ein Bauprojekt eine nachträgliche Verträglichkeitsprüfung erforderlich wird. Die Luxemburger Richter entschieden nun, dass dies immer dann der Fall sei, wenn ein Projekt mit erheblichen Folgen für natürliche Lebensräume sowie wildlebende Tiere und Pflanzen verbunden sein könnte (Urt. v. 14.01.0215, Az. C-399).
Unklar war der Fall Waldschlößchenbrücke vor allem deswegen, weil das Projekt bereits im Februar 2004 geplant und genehmigt worden war - also zu einem Zeitpunkt, als der Bauort noch nicht als sogenanntes Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung besonders geschützt war. Diese Einstufung im Rahmen der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie erfolgte erst Ende 2004. Mit den Bauarbeiten wiederum wurde erst Ende 2007 begonnen, fertig ist die Brücke seit 2013. Dem Dresdner Elbtal wurde 2009 der fünf Jahre zuvor verliehene Welterbetitel aberkannt, weil die Waldschlößchenbrücke aus Sicht des Unesco-Welterbekomitees das Landschaftsbild dramatisch veränderte.
Habitatschutz contra "Reservebauland"
Unabhängig von der noch ausstehenden Entscheidung des BVerwG sieht die Grüne Liga Sachsen den Naturschutz durch das Urteil des EuGH bereits gestärkt. Der Spruch der Luxemburger Richter habe Bedeutung für weitere Bauvorhaben auch in Sachsen, so der Landesvorsitzende des Naturschutzverbandes, Tobias Mehnert. Zudem habe der EuGH deutlich gemacht, dass für natürliche Lebensräume und Habitate von Arten das gleiche Schutzniveau zu gelten habe, sagte Mehnert. Doch während Lebensraum- und Biotoptypen relativ leicht zu umgrenzen seien, sei das bei den Habitaten schwerer.
"Um die Biotop-Bereiche der Lebensraumtypen können sie einen Strich drum herum ziehen und dann wissen sie, es ist diese Fläche. Aber der Habitatschutz greift weiter. Ein Beispiel: Der Rotmilan brütet im Feldgehölz, das als europarechtlich geschützter Lebensraumtyp eingeordnet ist." Zur Nahrungssuche nutze der Vogel aber die umliegenden Acker- und Grünlandflächen. "Diese landwirtschaftlichen Nutzflächen gehören nicht zu den geschützten Lebensraumtypen, erfahren aber - wie der EuGH betonte - dennoch den Schutz des europäischen Habitatschutzrechts."
Deshalb könnten bestimmte Bauvorhaben nicht mehr in Schutzgebiete hineingebaut werden, "weil nicht mehr nur die kleine Fläche des Feldgehölzes zu betrachten ist, sondern richtigerweise das gesamte Wechselspiel der Arten." Dies habe zur Folge, dass Schutzgebiete nicht mehr als "Bauland der Reserve der Zukunft" betrachten werden könnten. "In Deutschland hat man nun erklärt bekommen, wie das europäische Recht auszulegen ist. Und genau das hatte ja das Bundesverwaltungsgericht in Luxemburg angefragt", sagte Mehnert.
dpa/mbr/LTO-Redaktion
EuGH-Urteil zu Waldschlößchenbrücke: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18173 (abgerufen am: 11.12.2024 )
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