EuGH zu Arbeitnehmer-Grundrechten: Keine Wirkung zwischen Privaten

15.01.2014

In einem privaten Rechtsstreit kann sich eine Partei nicht unmittelbar auf Art. 27 der EU-Grundrechtecharta berufen. Die Vorschrift reicht für sich alleine nicht aus, um einem Einzelnen ein Recht zu verleihen. Sie bedarf vielmehr einer Konkretisierung durch ein Gesetz der EU oder ihrer Mitgliedstaaten. Dies entschied der EuGH am Mittwoch.

Art. 27 Grundrechtecharta garantiert Arbeitnehmern bestimmte Mitwirkungsrechte im Unternehmen (Unterrichtung und Anhörung). Die Details regelt eine Richtlinie. So müssen ab einer bestimmten Anzahl von Beschäftigten Belegschaftsvertreter gewählt oder ein Gewerkschaftsvertreter ernannt und ein Betriebsrat eingesetzt werden. Frankreich hat vorgesehen, dass beispielsweise Lehrlinge bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl nicht zu berücksichtigen sind.

Über diese nationale Umsetzung der Richtlinie kam es zwischen einem privaten Arbeitgeber und einer Gewerkschaft zum Streit vor der Cour de Cassation. Die Gewerkschaft vertrat den Standpunkt, dass die französische Vorschrift gegen Unionsrecht verstoße und nicht angewendet werden dürfe. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits 2007 entschieden, dass die Richtlinie es den Mitgliedstaaten verbietet, bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl bestimmte Mitarbeiter-Gruppen unberücksichtigt zu lassen. Denn dies hätte zur Folge, dass den Arbeitnehmern ihre Rechte vorenthalten würden, was der Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit nehmen würde. Das französische Gesetz könne auch nicht richtlinienkonform ausgelegt werden.

Dies hilft der französischen Gewerkschaft allerdings nicht weiter. Im Rechtsstreit mit einer anderen Privatperson kann sie sich nämlich nicht unmittelbar auf die Richtlinie berufen, obwohl diese inhaltlich keiner Bedingung unterliegt und hinreichend genau formuliert ist. Auch eine direkte Berufung auf Art. 27 der Grundrechtecharta scheidet aus. Um eine unmittelbare Wirkung zu entfalten, müsse er zunächst durch das Unions- oder das nationale Recht konkretisiert werden (Europäischer Gerichtshof, Urt. v. 15.01.2014, Az. C-176/12).

Soweit einer der Parteien ein Schaden dadurch entstanden ist, dass Frankreich die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, kann sie diesen vom Staat ersetzt verlangen.

cko/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zu Arbeitnehmer-Grundrechten: Keine Wirkung zwischen Privaten . In: Legal Tribune Online, 15.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10678/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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