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EuGH zum Recht auf Vergessen im Handelsregister: Wer mit­macht, muss offen legen

09.03.2017

Geschäftsaktivitäten müssen publik sein

© Robert Kneschke - Fotolia.com

Wer im Wirtschaftsleben mitspielt, muss auch seine Daten im Gesellschaftsregister preisgeben. Selbst nach Auflösung einer Gesellschaft hätten Geschäftspartner gerechtfertigte Interessen an früheren Tätigkeiten, so der EuGH.

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Natürliche Personen können auch nach Auflösung einer Gesellschaft keine Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten verlangen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (Urt. v. 09.03.2017, Az. C-398/15). Die Mitgliedstaaten könnten jedoch in Ausnahmefällen den Zugang Dritter zu den Daten beschränken.

Der zugrundeliegende Fall betraf den Italiener Salvatore Manni, der laut Gesellschaftsregister Geschäftsführer eine Gesellschaft gewesen war, die 1992 insolvent geworden und 2005 liquidiert worden war. Später war er als Geschäftsführer einer anderen Gesellschaft öffentlich beauftragt, eine Ferienanlage in Italien zu errichten. Er war der Auffassung, dass sich die neuen Immobilien der Anlage wegen der Eintragung im Gesellschaftsregister nicht veräußern ließen.

Das erstinstanzliches Gericht Lecce in Italien, dem Tribunale di Lecce, gab der Handelskammer Lecce auf, die personenbezogenen Daten zu anonymisieren, die Manni mit der Insolvenz der früheren Gesellschaft in Verbindung bringen, und verurteilte die Handelskammer zum Ersatz des entstandenen Schadens.

Gesellschaftsregister dient der Rechtssicherheit

Der von der Handelskammer Lecce angerufene Kassationsgerichtshof Corte suprema di cassazione hat dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Er möchte wissen, ob es die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz der Daten natürlicher Personen  und die Richtlinie 2003/58/EG über die Offenlegung von Gesellschaftsurkunden verbieten, dass jede Person ohne zeitliche Beschränkung Zugang zu natürliche Personen betreffenden Daten im Gesellschaftsregister haben kann.

Der Gerichtshof wies in seinem Urteil darauf hin, dass die Offenlegung von Gesellschaftsregistern die Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen den Gesellschaften und Dritten sicherstellen solle. Sie diene auch dazu, die Interessen Dritter gegenüber Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu schützen, da diese zum Schutz Dritter lediglich ihr Gesellschaftsvermögen zur Verfügung stellten.

Noch mehrere Jahre nach Auflösung einer Gesellschaft könnten sich Fragen ergeben, die einen Rückgriff auf im Gesellschaftsregister eingetragene Daten erforderten. Denn es gebe eine Vielzahl der Rechte und Rechtsbeziehungen, die eine Gesellschaft auch nach ihrer Auflösung mit Akteuren in mehreren Mitgliedstaaten verbinden könnten.

Löschung nur im Ausnahmefall

Durch die Unterschiede in den Verjährungsfristen der verschiedenen nationalen Rechte erscheine es nicht möglich, eine einheitliche Frist festzulegen, nach deren Ablauf die Eintragung der Daten im Register und ihre Offenlegung nicht mehr notwendig wären. Mitgliedstaaten könnten daher natürlichen Personen nicht das Recht auf Löschung von personenbezogen Daten nach einer bestimmten Frist nach Auflösung der Gesellschaft garantieren.

Dies greife zwar insbesondere in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz der personenbezogenen Daten ein. Der Eingriff sei jedoch verhältnismäßig, so der EuGH. Zum Einen werde nur eine begrenzte Zahl an personenbezogenen Daten im Gesellschaftsregister eingetragen. Zum anderen sei es gerechtfertigt, dass diese Personen ihre Daten offenlegten. Denn nach Auffassung der Luxemburger Richter haben sie sich dafür entschieden, über eine Aktiengesellschaft oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung am Wirtschaftsleben teilzunehmen, die zum Schutz Dritter lediglich das Vermögen dieser Gesellschaft zur Verfügung stellen.

Allerdings könne es in bestimmten Situationen gerechtfertigt sein, den Zugang die Daten nach Ablauf einer hinreichend langen Frist nach der Auflösung der Gesellschaft auf Dritte zu beschränken, die ein besonderes Interesse an der Einsichtnahme in die Daten nachweisen, so die Richter. Diese Entscheidung sei indes Sache der Mitgliedstaaten.

In dem vorliegenden Fall sei eine Zugangsbeschränkung jedenfalls nicht gerechtfertigt.

tap/LTO-Redaktion

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EuGH zum Recht auf Vergessen im Handelsregister: Wer mitmacht, muss offen legen . In: Legal Tribune Online, 09.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22322/ (abgerufen am: 23.09.2023 )

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