Wenn ein deutsches Unternehmen ein niederländisches auf Unterlassung verklagt, dann kommt die Brüssel-Ia-Verordnung zur Anwendung. Wie aber ist sie auszulegen, wenn sie keine eindeutige Antwort parat hält?
Laut Generalanwalt Saugmandsgaard Øe ist die gerichtliche Zuständigkeit einer zivilrechtlichen Haftungsklage nach der Brüssel-Ia-Verordnung (VO (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) nach der Grundlage dieser Klage zu beurteilen. Konkret bedeutet das: Berufen sich die Parteien auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung, dann richtet sich die Zuständigkeit auch danach. Berufen sie sich auf vertragliche Ansprüche, dann sind die entsprechenden Regeln der Brüssel-Ia-Verordnung heranzuziehen, um die gerichtliche Zuständigkeit festzustellen (Az. C-59/19).
Dem zu entscheidenden Fall liegt ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs (BGH) an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Der BGH hat in einer Unterlassungsklage des deutschen Hotels "Wikingerhof" gegen die in den Niederlanden ansässige Hotelbuchungsplattform Booking.com zu entscheiden. Die beiden Parteien haben einen Vertrag geschlossen, der die Eintragung des Hotels auf Booking.com zum Gegenstand hat. Die Wikingerhof GmbH & Co. KG ist jedoch der Meinung, dass Booking.com dermaßen unangemessene Bedingungen an seine Vertragspartner stellt, dass das einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt.
Wikingerhof klagte zuerst vor dem LG Kiel auf Unterlassung und stützt sich dabei auf deutsches Wettbewerbsrecht. Booking.com ist jedoch der Meinung, dass dieses Gericht nicht zuständig ist. Aktuell liegt der Fall beim BGH. Dessen Richter möchten von den europäischen Kollegen wissen, ob eine Klage, die nach nationalem Recht auf Deliktsrecht gestützt wird, auch eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Brüssel-Ia-Verordnung darstellt. Dann wäre das LG Kiel nämlich zuständig. Stützt sich die Klage jedoch auf einen "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Brüssel-Ia-Verordnung, dann wäre vermutlich ein niederländisches Gericht zuständig.
Øe schlägt dem EuGH in seinen Schlussanträgen nun vor, die Auslegung dahingehend vorzunehmen, dass eine zivilrechtliche Haftungsklage, die sich auf wettbewerbsrechtliche Vorschriften stützt, eine unerlaubte Handlung nach Art. 7 Nr. 2 der Brüssel Ia Verordnung darstelle. Das gelte auch dann, wenn Kläger und Beklagter Vertragsparteien sind. Die Frage nach der Zuständigkeit sei also immer danach zu beurteilen, auf was sich die Vertragsparteien berufen: Beruht die Klage auf einer Verpflichtung aus Vertrag oder aus unerlaubter Handlung?
Für Wikingerhof bedeutet dass, dass er Booking.com in Deutschland verklagen könnte, wenn der EuGH der Rechtsauffassung seines Generalanwalts folgen sollte.
pdi/LTO-Redaktion
Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts: . In: Legal Tribune Online, 10.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42770 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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