EuGH: BGH-Rechtsprechung mit Richtlinie unvereinbar: Kleines Ende des ewigen Wider­rufs­rechts

11.09.2019

Die ständige Rechtsprechung des BGH zum Widerruf bei Erfüllung widerspricht der EU-Richtlinie. Es gebe in diesem Fall kein "ewiges Widerrufsrecht", so der EuGH. Und fordert das LG Bonn auf, eine entsprechende Auslegung zu finden.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den Fall der Eheleute "Romano" entschieden. Es ging um das "ewige Widerrufsrecht", das nach ständiger verbraucherfreundlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) besteht, sobald ein Unternehmer nicht ordnungsgemäß über Widerrufsrechte bei Fernabsatzverträgen unterrichtet hat. Dem hat der EuGH nicht vollständig ein Ende gesetzt, wie es Optimisten auf Seiten der Unternehmen nach den Schlussanträgen des Generalanwaltes erhofft hatten. Der EuGH entschied jedoch, das Widerrufsrecht müsse Grenzen haben, und die seien im Fall Romano überschritten. Die Auslegung des BGH widerspreche der EU-Richtline zum Fernabsatz (Urt. v. 11.09.2019, Az. C-143/18).

Geklagt hatten zwei Verbraucher vor dem Landgericht Bonn (LG). Sie hatten bei dem Kreditinstitut DSL 2007 ein Darlehen aufgenommen, um damit den Hausbau zu finanzieren. Knapp neun Jahre später widerriefen sie den Kreditvertrag mit der Begründung, das Informationsschreiben der Bank, in dem die Verbraucher über ihr Widerrufsrecht informiert wurden, sei fehlerhaft. Die Bank hielt dagegen, dass nach der europäischen Verbraucherschutzrichtlinie das Widerrufsrecht erlösche, sobald der Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt wurde.

BGB sagt anderes als der BGH

Das Landgericht (LG) Bonn rief daraufhin den EuGH an. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann ein Verbraucher, der beim Abschluss eines Kreditvertrages im Fernabsatz nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert wurde, auf "ewig" den Vertrag widerrufen. Selbst Erfüllung ändere daran nichts. Das LG Bonn stellte die Frage, ob diese Auslegung denn mit der Richtlinie 2002/65 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher vereinbar sei.

Nach dieser Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der Verbraucher innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen einen im Fernabsatz geschlossenen Vertrag über eine Finanzdienstleistung widerrufen kann, ohne Gründe nennen oder eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Ausgeschlossen sein soll es hingegen, wenn ein Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt wurde, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt.

Das sieht auch das deutsche Recht in § 312d Abs. 3 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor, mit der dieser Ausschluss ins deutsche Recht umgesetzt wurde, vor. Sie sei aber nach der Rechtsprechung des BGH nicht auf im Fernabsatz geschlossene Verbraucherdarlehensverträge anwendbar und damit erlösche in diesen Fällen auch das Widerrufsrecht nicht.

Wie muss informiert werden?

Der EuGH stellte nun klar, dass eine solche Auslegung durch den BGH der Richtlinie entgegenstehe. Auch im Fernabsatz erlischt ein Widerrufsrecht, wenn der Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers voll erfüllt wird, so der EuGH. "Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das gesamte innerstaatliche Recht zu berücksichtigen und die darin anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden, um zu einer mit dieser Vorschrift im Einklang stehenden Lösung zu gelangen", urteilt der EuGH, und weiter: "Dabei hat es erforderlichenfalls eine gefestigte nationale Rechtsprechung abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit dieser Vorschrift unvereinbar ist".

Erforderlich sei, dass der Unternehmer die Information über das Widerrufsrecht in einer "für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher im Sinne der unionsrechtlichen Anforderungen klaren und verständlichen Weise" erteilt – ansonsten sei der Verbraucher an den Vertrag nicht gebunden. Dabei könne der Unternehmer durchaus auch darüber informieren, dass das Widerrufsrecht bei Erfüllung auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers hin ausgeschlossen sei. Das gelte unabhängig davon, ob sich diese Information mit der Auslegung durch die nationalen Gerichte – sprich des BGH – decke.

tap/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH: BGH-Rechtsprechung mit Richtlinie unvereinbar: . In: Legal Tribune Online, 11.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37557 (abgerufen am: 07.12.2024 )

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