Wer bereits den Schutz als Flüchtling in einem anderen Land bekommen hat, muss nicht denselben Status auch in Deutschland erhalten. Die nationalen Stellen müssen frühere Erkenntnisse aber berücksichtigen, so der EuGH.
Schutzsuchende Menschen bleiben nicht an einem Ort in Europa. Selbst wenn sie bereits einen Flüchtlingsstatus erhalten haben, bewegen sich viele weiter, bis sie in einem Mitgliedstaat angekommen sind, in dem sie menschenwürdig leben können. Stellen diese Personen dann einen Asylantrag in Deutschland, so müssen die nationalen Stellen nicht den gleichen Schutzstatus erteilen, wie das Land der ersten Entscheidung. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf eine Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Az. 1 C 16.21) entschieden (Urt. v. 18.06.2024, Az. C-753/22).
In dem Fall wurde eine Frau aus Syrien in Griechenland als Flüchtling anerkannt. Sie floh jedoch weiter nach Deutschland und stellte einen weiteren Asylantrag. In solchen Fällen können Asylanträge grundsätzlich bereits als unzulässig abgelehnt und die Personen zurück in den anderen Mitgliedstaat überstellt werden. Allerdings bestehen in Griechenland – wie auch in Italien – auch aufgrund der Vielzahl an Schutzsuchenden sogenannte systemische Mängel. Deutsche Gerichte entschieden daher, dass es menschenunwürdig wäre, die Personen in diese Länder zurückzuschicken.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erteilte der Frau subsidiären Schutz, sie erhob daraufhin erfolglos eine sogenannte Aufstockungsklage oder Verbesserungsklage vor dem Verwaltungsgericht (VG Aachen, Urt. v. 19.08.2021, Az. 1 K 2968/19) ), um den besseren Schutz als Flüchtling zu erhalten – so, wie sie ihn bereits in Griechenland bekommen hatte.
Nationale Stellen dürfen neu bewerten
Doch wie die nationalen Behörden und Gerichte den Schutzstatus bewerten, obliegt diesen selbst, entschied nun der EuGH. Es steht den Mitgliedstaaten frei, den bereits in einem anderen EU-Land festgestellten Status zu übernehmen – sie müssen das jedoch nicht und sind frei, eine eigene Entscheidung zu treffen. Nötig sei dann nur, dass die nationalen Behörden eine "neue individuelle, vollständige und aktualisierte Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vornehmen", so das Gericht in Luxemburg. Dabei müssen sie auch die Anhaltspunkte berücksichtigen, die von dem zuvor erkennenden Mitgliedsland festgestellt wurden. Dafür müssen die nationalen Behörden unverzüglich Informationen untereinander austauschen.
Liegen dann die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling vor, so ist das Ermessen der Behörde auf Null reduziert – sie muss dann den Schutzstatus auch tatsächlich erteilen.
Ob das im Fall der Frau aus Syrien zutrifft, werden nun die deutschen Gerichte zu entscheiden haben. Der EuGH gibt lediglich den Rahmen für die Entscheidung, die konkrete Beurteilung des Falles obliegt dem jeweiligen Mitgliedstaat.
EuGH zu erneutem Asylantrag in anderem Mitgliedstaat: . In: Legal Tribune Online, 18.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54794 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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