EuGH zu umstrittenen Justizreformen: Der pol­ni­sche Jus­tiz­mi­nister darf zu viel

16.11.2021

Wie viel Macht eines Justizministers verträgt die Unabhängigkeit der Justiz? Der EuGH sagt jetzt: Nicht so viel wie in Polen. Nun stellt sich die Frage, wie die Regierung in Warschau reagiert.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erneut eine Regelung im aktuellen polnischen Justizsystem für unzulässig erklärt. Das Gericht urteilte am Dienstag, dass es gegen EU-Recht verstoße, dass der Justizminister, der gleichzeitig Generalstaatsanwalt ist, Richter an Strafgerichte höherer Ordnung abordnen und eine solche Abordnung jederzeit beenden könne (Urt. v. 16.11.2021, Az. C-748/19 bis C-754/19).

Die Regelung führe dazu, dass die abgeordneten Richter:innen während der Dauer der Abordnung nicht über die Garantien und die Unabhängigkeit verfügen, über die ein Richter oder eine Richterin in einem Rechtsstaat normalerweise verfügen müsse, teilte der EuGH mit. Nach dem Urteil ist es demnach nicht ausgeschlossen, dass die Regelung als Instrument zur politischen Kontrolle des Inhalts justizieller Entscheidungen eingesetzt wird.

Erst im Oktober hatte der EuGH Polen per einstweiliger Anordnung zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verpflichtet, weil es ein früheres Urteil zu umstrittenen Justizreformen nicht umgesetzt hat. Konkret ging es dabei insbesondere um die Anordnung, die Arbeit der Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern zu stoppen. Die Tätigkeit ist nach EuGH-Entscheidungen nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar.

Der Umgang von Polens nationalkonservativer PiS-Regierung mit dem Justizsystem des Landes steht schon seit Jahren heftig in der Kritik. Die Regierung in Warschau und besonders Justizminister Zbigniew Ziobro signalisieren bislang allerdings in den entscheidenden Punkten kein Einlenken.

Ziobro ist auch Architekt der Justizreformen. Innerhalb der nationalkonservativen PiS-Regierung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat er sich als antieuropäischer, rechter Hardliner profiliert. Er argumentiert, seine Reformen seien nötig, um das polnische Justizsystem leistungsfähiger zu machen und es zudem von Richtern zu befreien, die noch im Kommunismus geprägt wurden.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zu umstrittenen Justizreformen: Der polnische Justizminister darf zu viel . In: Legal Tribune Online, 16.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46660/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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