EuGH zum Verbot der Doppelbestrafung: Grund­satz "ne bis in idem" gilt nicht unein­ge­schränkt

20.03.2018

Das Verbot der Doppelbestrafung kann zum Schutz der finanziellen Interessen der Union und ihrer Finanzmärkte eingeschränkt werden. Das hat der EuGH am Dienstag entschieden.

Bei besonders herausragenden Interessen des Gemeinwohls können Bürger in der EU wegen ein und derselben Tat auch doppelt bestraft werden und müssen dann sowohl strafrechtliche als auch verwaltungsrechtiche Sanktionen gegen sich in Kauf nehmen. Das Verbot der Doppelbestrafung steht dieser Praxis laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) nicht entgegen (Urt. v. 20.03.2018, Az. C-524/15,C-537/16, C-596/16 u. C-597/16).

In vier Fällen aus Italien hatten die Luxemburger Richter zu prüfen, ob gegen eine Person gleichzeitig strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Sanktionen wegen derselben Tat verhängt werden können. Dies könnte eine Einschränkung des Grundsatzes "ne bis in idem"darstellen, nach dem eine Person nicht zweimal in derselben Sache bestraft werden darf. Dieses Recht ist sowohl in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als auch in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreheiten (EMRK) verankert.

Verhältnismäßigkeit ist zu wahren

Nach Auffassung des EuGH kann das Doppelbestrafungsverbot allerdings unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Dies sei dann möglich, wenn die entsprechende nationale Regelung "eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung" habe, "die eine solche Kumulierung von Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen rechtfertigen kann". So sei es bei einer italienischen Regelung, mit der die Integrität der Finanzmärkte der Union und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Finanzinstrumente geschützt werden sollen.

Allerdings müsse es den Bürgern möglich sein, vorherzusehen, bei welchen Handlungen und Unterlassungen eine solches Nebeneinander von Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen in Frage komme. Weiter sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten: Die mit einer Kumulierung von Verfahren verbundene zusätzliche Belastung für die Betroffenen müsse deshalb "auf das zwingend Erforderliche" beschränkt werden, hieß es in einer Pressemitteilung des EuGH.

Das Gericht sah diese Voraussetzungen nicht in allen vier italienischen Rechtssachen als erfüllt an: So sei bei einer Regelung zur Ahndung von Marktmanipulationen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt worden. Nach dieser vom EuGH beanstandeten nationalen Regelung war es zulässig, ein Verwaltungsverfahren strafrechtlicher Natur wegen derselben Tat durchzuführen, die bereits Gegenstand einer strafrechtlichen Verurteilung war. Hier schien den Luxemburger Richtern "die strafrechtliche Sanktion selbst schon geeignet zu sein, die Straftat wirksam, verhältnismäßig und abschreckend zu ahnden".

hs/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zum Verbot der Doppelbestrafung: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27615 (abgerufen am: 13.12.2024 )

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