EuGH zur deutschen Wohnsitzauflage: Höchs­tens recht­mäßig, wenn sie die Inte­g­ra­ti­on för­dern kann

01.03.2016

Der EuGH hat sich zur deutschen Wohnsitzauflage für subsidiär Schutzberechtigte geäußert. Diese könnte zulässig sein, falls sie die Integration erleichtert. Ob das der Fall ist, soll nun das BVerwG prüfen.

Für subsidiär Schutzberechtigte ist eine Wohnsitzauflage zulässig, wenn diese stärker mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert sind als andere Personen, die keine EU-Bürger sind und sich rechtmäßig in dem Mitgliedstaat aufhalten, der ihnen Schutz gewährt hat. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden und den Fall zurück nach Leipzig verwiesen (Urt. v. 01.03.2016, Az. C-443/14 u. C-444/14).

Zwei syrische Staatsangehörige hatten gegen die deutsche Wohnsitzauflage für subsidiär Schutzberechtigte geklagt. Das sind Angehörige von Nicht-EU-Staaten, die weder als Flüchtlinge anerkannt sind, noch durch das Asylrecht geschützt werden, denen aber in ihren Herkunftsländern dennoch ernsthafte Gefahren drohen wie die Todesstrafe, Folter oder Lebensgefahr infolge willkürlicher Gewalt.

Das mittlerweile mit der Sache befasste Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) legte dem EuGH Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2011/95/EU (RiLi) vor. Nach dieser RiLi müssen die Mitgliedstaaten Personen, denen sie subsidiären Schutzstatus zuerkannt haben, nämlich die Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen gestatten wie anderen Nicht-EU-Bürger, die sich rechtmäßig dort aufhalten. Nach deutschem Recht wird die Aufenthaltserlaubnis von Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die soziale Leistungen beziehen, aber mit der Auflage verbunden, ihren Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen.

Gerechte Verteilung der Kosten ist kein Argument

Mit der sogenannten Wohnsitzauflage sollen zum einen die mit der Gewährung der sozialen Leistungen verbundenen Lasten angemessen auf deren jeweilige Träger verteilt werden. Dieses Ziel reicht laut dem EuGH aber nicht, um zu rechtfertigen, dass die subsidiär Schutzberechtigten in der Freiheit beschränkt werden, ihren Wohnsitz frei zu wählen.

Eine solche ungleichmäßige Lastenverteilung hänge nämlich nicht speziell mit der Eigenschaft der Leistungsempfänger als Personen mit subsidiärem Schutzstatus zusammen. Diese dürfen nicht strenger oder schlechter behandelt werden als andere Nicht-EU-Bürger, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, stellten die Luxemburger Richter klar. Das Urteil entspricht insofern den Schlussanträgen durch den EuGH-Generalanwalt.

Den weiteren Zweck der Wohnsitzauflage, nämlich die Erleichterung der Integration von Nicht-EU-Bürgern in die deutsche Gesellschaft, halten sie hingegen für ein legitimies Ziel. Zulässig kann die Wohnsitzauflage ihrer Ansicht nach sein, wenn die Situation der subsidiär Schutzberechtigten objektiv mit der Situation anderer Nicht-EU-Bürger, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, nicht vergleichbar ist. So vor allem, wenn subsidiär Schutzberechtigte in stärkerem Maß mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert sind als andere Nicht-EU-Bürger. Ob das der Fall ist, muss nun das BVerwG entscheiden. Dann nämlich stünde die RiLi auch einer Wohnsitzauflage nur für subsidiär Schutzberechtigte nicht entgegen. 

Drei Fragen - drei klare Absagen an die deutsche Regelung

"Die Antworten auf alle drei Fragen, die das BVerwG dem EuGH vorgelegt hat, haben das Ergebnis, dass das deutsche Recht gegen europäisches Recht verstößt", sagt Rainer M. Hofmann, Rechtsanwalt mit einem Schwerpunkt im Ausländer- und Asylrecht. "Nach dem Urteil steht fest, dass die Wohnsitzauflage einen Verstoß gegen EU-Recht darstellt, selbst wenn der Ausländer ansonsten das Recht hat, sich in Deutschland frei zu bewegen."

"Auch ist die Vorgabe eines Wohnsitzes europarechtswidrig, wenn so soziale Lasten der Länder gleichmäßiger verteilt werden sollen. Dies ist nach dem EuGH kein legitimer Grund für eine derartige Wohnsitzauflage", so Hofmann. "Die Vermeidung sozialer Brennpunkte darf als Argument ebenfalls nicht herhalten. Das bedeutet vor allem in einem Erst-Recht-Schluss, dass die ganzen politischen Diskussionen um Wohnsitzauflagen für Asylberechtigte obsolet sind, weil derartige Vorhaben gegen Europarecht verstoßen würden."

pl/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zur deutschen Wohnsitzauflage: Höchstens rechtmäßig, wenn sie die Integration fördern kann . In: Legal Tribune Online, 01.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18636/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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